Nur dem Wanderer eröffnen sich neue Horizonte …
Leistungen
Kosten
THERAPIE
Berechnet werden pro Zeitstunde 100,- € (ausschließlich auf Selbstzahlerbasis – keine Kassenabrechnung).
Beratungs- und Gesprächssitzungen dauern in der Regel 90 Minuten, um dem jeweiligen Prozess möglichst breiten Raum zu geben.
Abgerechnet wird allerdings nur der tatsächliche Zeitaufwand.
SUPERVISION
Berechnet werden pro Zeitstunde 110,- €. Beratungs- und Gesprächssitzungen dauern in der Regel 90 Minuten, um dem jeweiligen Prozess möglichst breiten Raum zu geben.
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Ausbildung
Studium der Fächer Kath. Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften für das Lehramt am Gymnasium in Bonn mit anschließender Tätigkeit als Studienrat. Studium des Buddhismus und des Interreligiösen Dialogs in Sri Lanka im Studienzentrum „Tulana“ in Kelaniya bei Prof. Dr. Aloysius Pieris SJ und am „Postgraduate Institute of Pali and Buddhist Studies“ in Colombo. Vielfältige Studienaufenthalte in fast allen Ländern Asiens. Promotion zum Dr. theol. in Tübingen bei Prof. Dr. D. Mieth und Prof. Dr. H.J. Vogt mit der Dissertation „Weg der Erkenntnis – Weg der Liebe. Das spirituelle Meister-Schüler-Verhältnis beim Buddha und bei Pachomius“ (Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1992). Psychotherapeutische Ausbildung insbesondere zur Orientierungsanalyse am „Institut für Humanistische Psychologie“ in Eschweiler und San Francisco, sowie zur Drogenberatung und Suchtprophylaxe. Schulung im Zen und besonders im Christlichen Zen unter verschiedenen Zen-Meistern. – Lehrer für Meditation und spirituelle Begleitung für Einzelpersonen und Gruppen.
Mitgliedschaft
- Berufsverband Akademischer Psychotherapeutinnen e. V. (BAPt)
- Deutscher Dachverband für Psychotherapie (DVP)
- European Association for Psychotherapy (EAP)
- European Network of Buddhist-Christian Studies (ENBCS)
- Arbeitskreis „Religionspsychologie, Spiritualität und Psychomarkt“ im Bund deutscher Psychologen (BDP)
- Arbeitskreis „Heil und Heilung“ im Bistum Aachen
- Arbeitskreise zum Dialog mit fernöstlichen Religionen, bes. mit dem Buddhismus, auf regionaler, deutschlandweiter und europäischer Ebene
- Gesellschaft der Freunde christlicher Mystik
Veröffentlichungen
Weg der Erkenntnis – Weg der Liebe.
Das spirituelle Meister-Schüler-Verhältnis beim Buddha und bei Pachomius.
Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1992
Weisheiten des Hinduismus
Edition Horizonte – missio Aachen, Bonifatius, Paderborn, 2004
Weisheiten des Buddhismus
Edition Horizonte – missio Aachen, Bonifatius, Paderborn, 1998
Buddhismus, Wege zur Erleuchtung
Video in der Reihe: „Religionen der Welt“, missio Aachen/Avimo Leuven, 1997
Feuer und Wasser – Frau, Gesellschaft, Spiritualität in Buddhismus und Christentum
Theologie der Dritten Welt – Bd. 19, Herder, Freiburg-Basel-Wien, 1994
Fremde Wege zu Gott
Folienmappe in der Reihe: „Religion für Schule und Gemeinde 4“, Patmos, 1985
Liebe und Weisheit – Begegnung von Christentum und Buddhismus
von Aloysius Pieris, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1989
Zu den Quellen des Buddhismus – Eine Einführung für Christen
von Antony Fernando, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1987
Theologische und psychologische Reflexionen zum Artikel von Anne Höfler „Beten und Handauflegen – Ein Ausdruck der Mystik heute“,
in: Gesellschaft der Freunde christliche Mystik e.V., Rundbrief 1/2019, S. 33 – 41
Psychische Krisen und ihre Bedeutung für spirituelle Entwicklung
in: S. Verleysdonk-Simons, J. Kopperschmidt (hrsg.), Der Zielfreie Weg – Spiritualität des Älterwerdens, Schriften des Fachbereichs Sozialwesen der Hochschule Niederrhein, Bd. 58, Mönchengladbach 2015, S. 85 – 95
Buddhismus und Psychotherapie,
in: Tibetfocus Nr. 129, Sept. 2015, Zürich
Religion in Bhutan,
in: M. Porsche-Ludwig, J. Bellers (hrsg.), Handbuch der Religionen Bd. 2, Verlag Traugott Bautz, 2012, S. 1021 – 1028
Die ökumenische Pilgerschaft – ein Weg zur Einheit,
in: Seelsorge, Zeitschrift für Pastoral und Gemeindepraxis, 3/2001, Herder, Freiburg, S. 46f
Lehren hast Du Deinen Söhnen gegeben in Ehrfurcht – Das Lehrer-Schüler-Verhältnis beim Wüstenvater Pachomius
in: „meditation“, Zeitschrift für christliche Spiritualität und Lebensgestaltung, 31. Jg. Heft 2/2005, Grünewald-Verlag, Mainz, 2005, S. 6-10
The Way of Wisdom – The Way of Love, The Spiritual Master-Disciple Relationship with reference to the Buddha and Pachomius
in: Encounters with the World – Essays to Honour Aloysius Pieris s.j., Piyasiri Printing Systems, Nugegosa, Sri Lanka, 2004, S. 365-380
„Und alle Fesseln fielen ab …“ – Höchste spirituelle Erfahrung im Buddhismus
in: „Gottes-Krise und Gott-Trunkenheit – Was die Mystik der Weltreligionen der Gegenwart zu sagen hat“, von M. Delgado/A.P. Kustermann, Echter, S. 159-176, 2000
Hat der christlich-buddhistische Dialog in Sri Lanka eine Chance? – Hintergründe, Schwierigkeiten und Perspektiven
in: „Forum Weltkirche“, Herder, Heft 5/2000, S. 9-14, 2000
Meditation – Weg zu einer sinnvollen Lebensgestaltung für junge Menschen
in: „Zukunft gestalten“, Jubiläumsfestschrift des Meditationszentrums Neumühle, S. 161-167, 2000
Geistliche Begleitung in Buddhismus und Christentum – Erfahrungen in dem Dialog der Religionen
in: „Christentum und Buddhismus“, Hofgeismarer Protokolle 316, S. 103-126, Evangelische Akademie Hofgeismar, 1998
Von den Lehren Buddhas, in:
Thailand verstehen, Sympathie Magazin Nr. 3, hrsg.: Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V., Gotteswinter, München, 1997, S. 10f
Das Meister-Schüler-Verhältnis im Frühbuddhismus unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Sri Lanka
in: „Dialog der Religionen“, 6.Jg. Heft 2, S. 9-26, 1996
Der Buddha als Lehrer seiner Schüler
in: „Didaskalos, Studien zum Lehramt in Universität, Schule und Religion“, Projekt Verlag, S. 397-410, 1996
Drogenprobleme
in: „Pädagogik Unterricht“, 1. Jg., Heft 2/3, S. 13-19, 1981
Der vorliegende Artikel ist in seiner argumentativen Ausrichtung durchaus interessant und scheint in sich nachvollziehbar. Der Leser wird mitgenommen in eine gedankliche Führung, die, wie es Anne Höfler tut, bei den eigenen Erfahrungen ansetzt, um diese in einen Handlungsimpuls umzusetzen und schließlich gezielt andere Menschen am Geschehen teilhaben zu lassen. Untermauert mit einzelnen Sätzen von zwei der bedeutendsten Mystiker wirkt somit alles schlüssig, theologisch sauber und psychologisch hilfreich.
Grundsätzlich ist dabei zunächst festzuhalten, dass es durchaus anerkennenswert ist, sich auf ein solches Terrain argumentativ einzulassen, damit aber auch angreifbar zu machen. Daher ist es von vorne herein wichtig zu erkennen, dass die folgende Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Artikel nicht dazu gedacht ist, eine pauschale Ablehnung all dessen, was mit Handauflegen und auf diese Weise Heilen vorgestellt wird, vorzulegen. Vielmehr ist mir daran gelegen, mit der folgenden, wenn auch kritischen Reflexion aus der Sicht theologischer und psychologischer Erkenntnisse heraus, einen Beitrag zur Differenzierung des Themas zu leisten, zumal sich das Thema Heilen und Gesundheit zurzeit ja als hochaktuell erweist.
Manche Problematik erschließt sich eben aus der Erkenntnis, dass im Ursprung menschlicher Existenz bereits eine Ambivalenz sichtbar wird darin, dass dem Menschen (als Gabe des Schöpfers) die Fähigkeit gegeben ist, durch Handauflegen heilend zu wirken, und trotzdem nicht jeder Mensch dazu in der Lage ist. Guter Wille und Kursschulungen lassen die gerade erwähnte Kluft nicht schließen, weil der Mensch eben auch anerkennen muss, dass sich vieles in diesem Zwischenraum unserem Verständnis entzieht.
Bei aller Würdigung des Beitrags von Anne Höfler wird trotzdem bei näherem Hinsehen deutlich, dass ihre Argumentation einige durchaus gravierende Fragen aufwirft, die die von ihr präsentierte Selbstverständlichkeit ins Wanken bringt.
Dies wird vor allem darin ersichtlich, dass der Text methodisch wenig sauber präsentiert wird, da die Darstellung menschlicher Bedürfnisse (z. B. „Berührung tut gut“), medizinische (eher pseudowissenschaftliche) Vermutungen („Speicherung unserer Erfahrungen in den Körperzellen“), komplementärmedizinische Darstellungen und sachlogische Begründungen einfach nur miteinander verknüpft werden. Solches Vorgehen lässt natürlich den Vorwurf der Beliebigkeit entstehen, zumal immer so argumentiert wird, wie es gerade passend erscheint. Verschiedene Sprachebenen werden vermischt und gleichsam apodiktisch zum Ausdruck gebracht: So ist es! Widersprüche sind somit nicht zu vermeiden.
Zunächst geht Höfler von einer Alltagserfahrung aus, die sicherlich unbestritten ist: „Eine liebevolle Berührung tut gut“, zumindest wenn beide Seiten sich darin einig sind, dass diese Berührung liebevoll gemeint ist. Aber: zu oft machen Menschen die Erfahrung, dass eine Handlung als liebevoll ausgegeben wird, tatsächlich aber eine Manipulation oder gar einen Missbrauch darstellt. Dazu gesellt sich die ebenfalls psychologische Erkenntnis, dass manches Empfinden und Handeln von Menschen tatsächlich als positiv erfolgend geglaubt werden, dabei jedoch Selbstreflexion und Selbstwahrnehmung nicht deutlich genug ausgeprägt sind, um den wahren Kern ihres Denkens, Redens und Handelns zu erkennen.
Die Frage stellt sich also: Kann eine subjektiv empfundene Kraft ohne Wenn und Aber aus der eigenen Deutung heraus tatsächlich als tragfähig betrachtet werden, oder bedarf es nicht wichtiger Sicherungsmechanismen. Denn es gibt doch wohl zu viele Beispiele für etwa selbsternannte Gurus, die einen ganz eigenen, höchst subjektiven Wahrheitsanspruch formulieren.
Ein solcher Gedankengang hat durchaus erhebliche Konsequenzen, wie es Anne Höfler selbst, wenn auch sicherlich ungewollt, deutlich werden lässt: „liebevolle Begegnung … ist für mich ein Gebet“ und ein „Öffnen für das Göttliche.“
Damit bleibt die Bedeutung der Erfahrung von Anne Höfler, dass liebevolle Berührung bei ihrer Tochter Heilung brachte, nicht einfach für sich stehen. Vielmehr wird dieses Geschehen in einen religiösen Kontext gestellt, wenn Begriffe wie „das Göttliche“ oder „Gebet“ und vieles mehr der gesamten Interpretation plötzlich einen ganz anderen und aus der eigenen subjektiven Haltung heraus eben auch anscheinend selbstverständlichen Rahmen geben.
Die Einordnung in die christliche Glaubenswelt geschieht demnach unhinterfragt und wird obendrein noch im Horizont der Mystik verortet.
Ein unbedarfter Leser, Heilung Suchender oder Kursteilnehmer christlicher Provenienz wird sich mit diesen Einordnungen sofort sicher sein, dass alles gut ist, weil die christlichen Interpretationsmuster gewählt werden.
Gleiches insinuieren Formulierungen wie „es passiert einfach“, „es wird uns geschenkt“, wir können uns dem öffnen „was da ist“. Folglich besteht die Aufgabe wohl darin, wie Höfler zu zeigen versucht, zu „entspannen“ und immer mehr zu entspannen, um letztlich ein „Loslassen“ sich ereignen zu lassen, das auf psychischer, emotionaler, mentaler und psychischer Ebene erfahrbar werden kann. Dass auf diese Weise Veränderungen bemerkbar werden, schreibt die Autorin gleichzeitig der Tatsache zu, dass hier der Mensch auf seiner spirituellen Ebene berührt werde. Ist dies nicht etwas sehr kurz gegriffen? Was bedeutet hier der Begriff spirituell? Aus psychologischer Sicht stellt es sich in der (eher naiven) Argumentation von Höfler als ganz besonders problematisch heraus zu formulieren: „Die Liebe, die einfach da ist – egal, wer unter den Händen liegt“. Es dürfte doch eigentlich hinreichend bekannt sein, dass die Grundvoraussetzungen und Grundstimmungen eines Menschen in sehr unterschiedlicher Weise ein und dasselbe Ereignis (Handauflegen) wahrnehmen, interpretieren oder als Handlungsimpuls erfahren lassen. Hier kann man nur herausstellen, dass große Gefahren nicht gesehen werden, wie etwa die Problematik von Übertragung und Gegenübertragung, mit denen sich die Psychologie immer wieder auseinanderzusetzen hat. Aus dieser Haltung heraus ergeben sich dann leider später noch weitere verhängnisvolle Implikationen.
Gegenüber der von Höfler vorgestellten religiösen Interpretation läßt sich nur die hinlänglich bekannte Wahrheit herausstellen, dass es nicht unbedingt eines christlich-religiösen Kontextes bedarf, um solche Erfahrungen in Sprache zu bringen. Warum also genau diese Einordnung, warum werden nicht andere mögliche Deutungen erwähnt?
Der zweite Abschnitt des Artikels von Anne Höfler wirft weitere Fragen auf, die der Klärung bedürfen.
Aus der Wahrnehmung ihrer Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, heilende Prozesse in Gang setzen zu können, leitet die Autorin dann – wenn auch nicht explizit – ab, dass sie einen Auftrag habe zu heilen. Dies begründet sie mit einem inneren Impuls, der ebenfalls wie selbstverständlich christlichen Deutungsansätzen folgt. Diese aber insinuieren eine das Alltägliche übersteigende, religiöse Legitimation, diesem, ihrem inneren Geschehen folgen zu sollen.
Das Problem, das hier erkennbar wird, besteht in der Frage, ob man aus einer inneren Erfahrung auch eine (göttliche!) Legitimation zum Heilen durch Handauflegen ableiten kann und darf. Höfler tut es so.
Theologisch führt ein solches Vorgehen zu der weiterführenden Reflexion, ob der Mensch berechtigt ist, einen Impuls in sich als göttlichen Auftrag zu begreifen, ohne dass eine innere Auseinandersetzung bezüglich des göttlichen Auftrags in Gang gesetzt wird, wie das etwa die alttestamentlichen Propheten hinlänglich unter Beweis stellen.
Beauftragung ist kein subjektives Empfinden, sondern ein ernsthafter Akt der Ermächtigung, wie dies die Bevollmächtigung der Apostel in Mt. 10,1 par. im Neuen Testament deutlich vor Augen führt!
Dass Heilen, auch durch Handauflegen, möglich ist, zeigt sich in den neutestamentlichen Texten im Handeln der Apostel (Apg. 3,1-10 und öfter), das aus dieser Bevollmächtigung heraus von ihnen selbst und auch von den anwesenden Personen verstanden wird.
In ihrer Einordnung des Geschehens verweist Höfler im Weiteren auf die Nähe von Handauflegen und Kontemplation. Sie schreibt (mir wurde) “nach und nach klar, dass Handauflegen und Kontemplation für mich das Gleiche sind“. Gemeint ist hier das Loslassen vom eigenen Ego, um sich ganz öffnen zu können für das göttliche Geschehen.
Formal gesehen ist dies sicherlich richtig, etwas verräterisch erscheint jedoch die Formulierung: „In der jahrelangen Übung, mich leer zu machen, mich für die göttliche heilende Kraft zu öffnen, …” Wird hier nicht gesagt, dass jemand etwas erzwingen will, damit unbedingt etwas geschieht, was den Vorstellungen dieser Person entspricht, um etwas Besonderes zu erreichen?!
Indirekt können (müssen) damit die im Text formulierten Haltungen von Vertrauen, Dankbarkeit, Geduld, Loslassen und Liebe durchaus als notwendige Voraussetzungen für das Handauflegen verstanden werden, auch wenn von einer Haltung des Sich-Einlassens die Rede ist. Die beiden Einstellungen „Gebet“ und „Kanal sein“ liegen dabei sicherlich auf einer anderen Ebene des Verständnisses und der Argumentation.
Zum Schluss dieses Abschnitts formuliert Höfler etwas unvermittelt die Erkenntnis, „dass wir nicht Jesus sind”. Ist damit ein indirekter Hinweis gegeben, nicht überheblich zu werden gerade im Kontext der Aussage, dass sich der Mensch zur Verfügung stellen will mit all seinen/ihren Begrenzungen? Dies ist sicherlich zielführend. Aber psychologisch gesehen ist doch das Sehen und Erwähnen einer Gefahr noch keine Garantie dafür, dass sie dadurch gebannt sein kann.
Die Anbindung von Anne Höfler in dritten Abschnitt an Sätze aus den Schriften Eckharts und Taulers erscheint bei kritischer Hinsicht eher weniger geeignet, das Handauflegen aus der Mystik heraus zu begreifen und es somit als ein mystisches Geschehen darzustellen, wie es die Überschrift über ihren Artikel formuliert. Hier ist der Wunsch spürbar, neben der biblischen Anbindung noch eine an die Mystik vorzulegen, wobei es dem Leser ihrer Darstellung überlassen bleiben mag zu beurteilen, ob nicht Eckhart und Tauler weit tiefgreifender das Sein des Menschen bedenken, als dass sie es direkt in einzelne Tätigkeiten wie etwa das Handauflegen hinein umzumünzen versuchen. Sich selbst damit in die Reihe der großen Mystiker einzuordnen, setzt schwerwiegende Fragezeichen und zeugt eher von einer Vereinnahmung der mystischen Tradition zu eigenen Zwecken.
Gegen Ende des Abschnitts wird ein Gedankengang vorgelegt, der sicherlich diejenigen Leser aufhorchen lässt, die immer wieder beruflich mit spirituellem Missbrauch und ähnlichem zu tun haben. Es geht dabei in Höflers Ausführungen um das „Stillwerden“ der Handaufleger. Da heißt es: „Hier wird die Kraft, die wir göttlich heilende Kraft nennen, freigesetzt. Eine Kraft, die weitaus intelligenter ist als wir in unserem Denken, dass wir wissen, was richtig wäre!”
Was an dieser Formulierung fragwürdig, wenn nicht sogar gefährlich erscheint, liegt an der damit ausgesprochenen Immunisierung (gegen alle möglichen kritischen Einwände) all dessen, was im Handauflegen geschieht. Es ist, Höfler zufolge, eben göttliche Kraft! So einfach ist es ihrer Ansicht nach.
Diese Form der Rechtfertigung ist mehr als bedenklich, vor allem im Blick darauf, dass auch noch Kurse angeboten werden, um dieses Handauflegen zu lehren! Wer übernimmt die Verantwortung für alle die, die sich durch die Kurse berufen fühlen zu formulieren, das hinter all ihrem Tun eine Kraft, eine göttliche Kraft steht … die letztlich nicht hinterfragt zu werden braucht? Da hilft es auch nicht aufzuzeigen, dass diejenigen, die die Hände auflegen, sich nur als Kanal verstehen, die keinen Einfluss auf das Geschehen haben.
Hier stellt sich die tiefgreifende Frage, was eigentlich das Personhafte und Persönliche in diesem Handeln darstellt, wenn die Akteure nur Kanalfunktionen ausüben. Ist es nicht geradezu offensichtlich, dass der Heilung suchende Mensch durchaus seinem/ihrem inneren Gefühl folgt, bei wem er/sie sich einlassen möchte auf eine Handauflegung? Die Unterschiedlichkeit der Personen ist damit doch gerade ein ganz besonderes Kriterium!
Ist mit der Vorstellung, einfach nur Kanal oder Medium zu sein, nicht die erhebliche Gefahr verbunden, den verdeckten Egoismen der HandauflegerInnen Tür und Tor zu öffnen!? Mögliche Übertragungen sind doch nicht durch das Argument des Leerseins ausgeschlossen!
Psychologisch gesehen kann man nur formulieren, dass es so einfach leider nicht ist! Gleichzeitig kann theologisch auch nur betont werden, dass die göttliche Kraft nicht für alles verantwortlich gemacht werden darf, was in Seinem Namen im Handauflegen mit Heilungsabsichten geschieht! Es erweist sich eine solche Haltung geradezu als unverantwortlich, wenn auch noch gleichsam eine Generalabsolution gegeben wird: „Niemand hat doch eine Ahnung, was für einen Menschen vorgesehen ist“.
Zum Handauflegen mit Heilungsabsichten gehört folglich doch eher ein wahrlich geklärter Geist. Hier ist Anne Höfler in die Verantwortung gestellt für sich und alle ihre Schülerinnen und Schüler.
Im vierten Abschnitt greift Höfler genau diese Problematik auf, allerdings mit dem Vorzeichen, dass alle Beteiligten, also die Heilenden und die Heilung Suchenden, gerade „so sind, wie sie sind“ – und eben nicht Jesus, woraus Höfler ableitet, dass zunächst auch Techniken geübt werden müssen, die also eine gewisse Sicherheit im Handeln bereitstellen sollen.
„Ich bin, wie ich gerade bin“. Wieviel Subjektivität darf sein, wenn Handauflegen tatsächlich den Anspruch erhebt zu heilen? Ist es nicht so, dass im Handauflegen eben nicht nur der Blick auf die Kranken eine Rolle spielt, sondern in der Berührung auch etwas im Berührenden geschieht, das nicht ausgeblendet werden darf. Gegebenenfalls muss in diesem Kontext dann auch diskutiert werden, ob nicht manche gut gemeinte Hilfsbereitschaft doch der Pflege des eigenen Ego dient. Dies mag hart klingen, aber Verantwortung in solchen Feldern des Handelns ist nun einmal keine beliebige Aufgabe. Aus dem Anspruch der Selbstprüfung (und ggf. Fremdprüfung) darf niemand entlassen werden.
Auf diesem Hintergrund gewinnt die Position der englischen Ärztin Rosi Daniel, die von Höfler zitiert wird, eine besondere Brisanz: “Erst die spirituelle Heilung und dann die Therapien” soll der Grundsatz sein! Wenn sich dies nicht nur auf die Heilung Suchenden bezieht, sondern durchaus auch als Voraussetzung für die HandauflegerInnen zu gelten hat, ist wohl doch ein viel längerer Weg der Vorbereitung zum Handauflegen gefordert, als Höfler es selbst zu sehen scheint, es sei denn, die Kurse werden nur für diejenigen angeboten, die den spirituellen Weg bereits vollendet haben! Da dies wohl nicht im Blick steht, muss die Forderung abgeleitet werden, einen sehr intensiven und sensiblen Schulungsweg für die HandauflegerInnen anzubieten, um, wie es im Text heißt, „das eigene Ego “loszuwerden“.
Es werden im fünften Abschnitt viele Gruppen von Menschen genannt, die durch Handauflegen Gutes tun oder tun könnten. Diese Berufsfelder müssen hier nicht wiederholt werden. Eigentlich, so scheint es, sollte nach Anne Höfler jeder Mensch dies lernen und praktizieren.
Als besonders herausfordernd stellt sich in diesem Ansinnen ein Satz heraus, der die ansonsten zunächst formulierte Absichtslosigkeit des Geschehens im Handauflegen demaskiert. Sie schreibt: „Könnten die Eltern zudem eine kurze Einführung im Handauflegen bekommen, um ihren Kindern selbst zu helfen, wären ihre Gefühle von Hilflosigkeit und Schuld sicherlich sehr viel geringer!”
Wie soll dies anders zu verstehen sein, als dass Handauflegen Mittel zum Zweck sein kann und sollte!
Zu überlegen nötig ist dabei allerdings auch, dass die menschliche Fähigkeit zu heilen durchaus gegeben ist; aber es ist doch offensichtlich, dass diese nicht in jedem Menschen zum Fließen kommt. Sind diese Menschen dann nicht wegen ihrer Unfähigkeit per se ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der Heilung Bewirkenden?
Heilen zu wollen ist natürlich ein menschlicher Impuls, der überall anzutreffen ist. Gerade deshalb muss aber ein Heilen durch Handauflegen als Auftrag göttlicher Kraft ganz genau dahingehend untersucht werden, aus welchem inneren Antrieb dieses Heilen geschieht. Hierbei handelt es sich um eine gravierende Herausforderung an jede Person, die das Handauflegen praktizieren will!
Es gibt nämlich so viele, auch positiv erscheinende Antriebe, die letztlich mehr Schaden anrichten als Hilfe bieten. Als Beispiel mag hier die Auseinandersetzung stehen, die nötig ist, für sich selbst zu klären, aus welcher Motivation heraus man einen sozialen oder heilenden Beruf ergreift oder ergriffen hat. Dieser Gedanke wird durchaus kurz im sechsten Abschnitt von Anne Höfler angesprochen.
Und damit eröffnet sich im sechsten Abschnitt die wahre Schwierigkeit des gesamten Ansatzes.
Die Argumentation war bisher gewesen, dass aus ihrer eigenen Erfahrung heraus eine Herausforderung an sie selbst gestellt ist, durch Handauflegen zu heilen. Nun wird dieser Ansatz noch erweitert um das Moment, dieses auch zu lehren!
Richtig erkannt ist von ihr sicherlich die Ursache des Übels: das eigene Ego. Aber dies zu überwinden, ist, wie es grundsätzlich und auch von Höfler selbst erfahren wird, wie oben angedeutet, ein zum Teil langwieriger Weg.
Wenn diese Positionierung von Anne Höfler in sich schlüssig sein soll, muss die Frage erlaubt sein, wie eine recht kurze Ausbildung es erreichbar machen will, all die Probleme zu lösen, die nur eine lange Übungspraxis zum Beispiel in Kontemplation und Meditation bereitstellen kann.
Die Frage, in die alle Darstellungen münden, ist also diejenige, ob es zu legitimieren und rechtfertigen ist, Kurse in Handauflegen zum Zweck der Heilung durchzuführen. Welche Verantwortung wird da übernommen werden müssen?! Ist es erlaubt, Menschen zu animieren, ihre heilenden Kräfte in Erfahrung zu bringen mit dem daraus abgeleiteten Anspruch, Menschen heilen zu dürfen?
Wenn man sich allerdings die Unmenge an Kursen aus erster und zweiter Hand zum Handauflegen aus der Schule von Anne Höfler für alle möglichen Menschengruppen anschaut, die allein im Internet angeboten werden, muss man zwangsläufig daran zweifeln, ob die ursprüngliche Intention der Veranstalter tatsächlich nur aus dem Ansporn zu heilen erwächst, oder ob nicht doch ganz andere Motive eine Rolle spielen, die eher mit einem momentanen, aber auch stringent provozierten Boom des Handauflegens mit durchaus lukrativer Einnahmequelle zu erklären sind.
Und so fragt sich der Theologe, warum wohl Jesus nie einen Kurs zum Handauflegen gegeben hat, und warum er nur eine bestimmte Schar Auserwählter, nämlich die Apostel, aussandte um zu heilen?
Ist das Eintauchen in die göttliche Kraft nicht etwas so Heiliges, dass die Befähigung nicht jedem übertragen werden sollte und auch nicht von Jesus übertragen wurde?
Hier ist allerdings zu Gute zu halten, dass in den Gruppen von und um Anne Höfler ein Moralkodex in Vorfeld der Ausbildungen anerkannt werden muss, was möglicherweise auch auf dem Hintergrund geschieht, sich selbst als Lehrerin oder die KursleiterInnen möglicher Konsequenzen zu entpflichten.
Die Antwort auf die soeben gestellte Frage liegt sicherlich nicht darin, dass alle übrigen Menschen nicht dazu geschaffen sind, in dieser Weise zu heilen. Wer die Heilungsgeschichten liest, wird im Übrigen feststellen, dass nur selten von Handauflegen zum Heilen die Rede ist (Mt. 6,5). Jesus verfügt nämlich über ein viel weitreichenderes Spektrum an Möglichkeiten zu heilen.
Letztlich macht Jesus – der sich sicherlich nicht nur als Kanal verstand und sich ganz dessen bewusst war, was er tat – nämlich deutlich, dass Heil und Heilung ein Geschenk Gottes sind und nicht machbar, was die Autorin durchaus erkennt, aber nicht stringent bedenkt.
Jesus geht jedenfalls nicht hin und ruft die Leute zusammen, um sie zu heilen; sie kommen zu ihm mit der Bitte um Heilung. Und erst recht bildet er keine Gruppe aus mit der Aufgabe zu heilen. Die Begründung dafür ist im Neuen Testament klar ersichtlich: Jesus heilt nicht um des Heilens willen und weil er dies für seinen besonderen Auftrag hält. Er lässt es geschehen und bindet sich ein in das Heilshandeln Gottes, es sei denn, es gibt gravierende Gründe, es nicht zu tun. Sein Augenmerk liegt auf der Verwirklichung des Reiches Gottes, in dem Heil begründet ist, das unter anderem auch die Dimensionen der Heilung beinhaltet. Daher werden die Heilungen im NT auch als Zeichen verstanden, in denen die Zuwendung Gottes sinnenfällig wird. Krankheit zu heilen (und Dämonen auszutreiben) ist Teil seiner Botschaft, dass Gott in Krankheiten nicht den Menschen strafen will und auch keine Dämonen am Werk sind, wie dies im Umfeld Jesu geglaubt wurde. Darin liegt das Befreiende seiner Botschaft, das dann im Heilen von Kranken ihren Ausdruck findet.
Daher heißt es klar und deutlich: “Suche zuerst das Reich Gottes … und alles andere wird euch dazugegeben” (Mt. 6,33). Dieser Satz formuliert demnach unumstößlich, dass tatsächlich zunächst die entsprechende Basis gelegt sein muss, um alles Übrige in diesen Kontext, den Kontext des Wirken Gottes, hineinzustellen. Wahrlich ein klarer Maßstab und gleichzeitig eine herausfordernde Aufgabe.
In der Vorbereitung dieses Themas habe ich, wie man das heute gängigerweise tut, um der intellektuellen Redlichkeit willen im Internet nachgeschaut und „Psychische Krisen und Spiritualität“ eingegeben mit der Absicht herauszufinden, was möglicherweise an Literatur zu diesem Thema existiert.
Manchmal kann dieses Medium sehr humorvoll sein, denn das einzige spezifische Suchergebnis neben all den Hinweisen auf „Spiritualität“, „spirituelle Krisen“, „psychische Krisen“, war – ein Hinweis auf meinen Vortrag heute Nachmittag hier an der Hochschule in Mönchengladbach.
Kurzfristig wusste ich nicht, ob ich lachen oder mich ärgern sollte, habe dann aber unter den eben genannten Stichworten in den Bücherlisten des Buchhandels nachgeschaut und wurde mit einer unglaublichen Flut von tausenden Büchern konfrontiert, die allemal den Schlagworten „psychische Krisen“ bzw. „Spiritualität“ zugeschrieben werden.
Ich muss zugeben, dass ich nach einigen Hundert Einträgen das Suchen drangegeben habe, weil es mir schien, dass einschlägige Literatur zu diesem Thema nicht direkt zu finden ist.
Eine weitere Erkenntnis stellte sich ein, dass nämlich Krise und Spiritualität sehr wohl miteinander verknüpft werden, nämlich als „spirituelle Krisen“ 1, die sicherlich ihre innere Beziehung zum Thema „psychische Krisen“ ahnen lassen, aber nicht unbedingt weiterhelfen, das Thema „Psychische Krisen und ihre Bedeutung für spirituelle Entwicklung“ zu entfalten.
Die Konsequenz aus der soeben beschriebenen Situation ist die, sich eigenständig an dieses Thema heranzutasten und dabei nachzuspüren, welche verschiedenen Aspekte unter einer solchen Aufgabenstellung zusammengeführt werden können.
Zunächst einmal ist es notwendig, die Begriffe „psychische Krisen“ sowie „Spiritualität“ inhaltlich zu füllen, um damit die Arbeitsbasis für weitere Reflexionen zu schaffen. Dabei möchte ich die gängigen Erkenntnisse zu diesen Stichworten darlegen, ohne einer spezifischen Richtung der Interpretation folgen zu wollen, weil dies ja grundsätzlich zu einer Beschränkung des Denkhorizonts führen würde.
Als „psychische Krisen“ bezeichnet man allgemein diejenigen Situationen im Leben eines Menschen, die einerseits durch äußere, andererseits durch innere nicht alltägliche Situationen, wie etwa traumatische Erfahrungen, der Verlust eines geliebten Menschen oder des Arbeitsplatzes, Überforderung, gesundheitliche Probleme usw. entstehen oder durch Phasen des Umbruchs, wie etwa die Pubertät oder das Älterwerden, bedingt werden.
Das Wesentliche solcher Krisen ist das destabilisierende Moment in der Irritation oder dem Zusammenbruch des bisherigen Verständnisses, das ein Mensch von sich selbst, dem Leben, der Welt, dem Glauben etc. entwickelt hat.
Gerade die zumeist nicht gewünschte Konfrontation mit dem eigenen bisher aufgebauten Selbstbild im Zusammenfluss aller von einem Menschen angeeigneten oder gegebenen Strukturen, das sind Gewohnheiten oder automatisierte Lebensvollzüge der Person selbst oder der Umwelt, lassen das krisenhafte Geschehen in die existentiell bedrohliche Frage nach dem Sinn des Geschehens münden. Alles, auch der Mensch selbst, wird in Frage gestellt und lässt die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität zutiefst aufbrechen.
Die Situation, sich wohlmöglich nochmals oder überhaupt neu orientieren und ggf. eine neue Wertehierarchie aufbauen zu müssen, schafft besonders in zunehmendem Alter einen erheblichen Stress, da die Endlichkeit der eigenen Existenz zunehmend mehr ins Bewusstsein tritt und damit durchaus der Eindruck einer großen Belastung beschert, nicht oder nicht mehr so lange zu leben, um einer Krisenbewältigung ihre notwendige Zeit zu lassen.
Grundlegende Aspekte einer psychischen Krise können auch darin bestehen, einer Frustration Raum zu geben, die alles bisher Erreichte in Frage stellt oder gar sinnlos erscheinen lässt.
Und wenn ein krisengeschüttelter Mensch in seiner Sinn- und Orientierungssuche wohl möglich sein gesamtes Menschen-, Welt- und Gottesbild hinterfragen zu müssen glaubt, wird sicherlich der Fragehorizont aufgebrochen, was sie oder ihn bisher getragen hat und nun vielleicht neu tragen sollte.
Hierbei wird auch im Zusammenhang der Krise des Älterwerdens die Antworten umso dringlicher gesucht nach dem, was unvergänglich ist und sich endgültig als tragender Grund erweisen kann.
Nicht selten charakterisieren also psychische Krisen ein Ereignis im menschlichen Leben, in dem anscheinend komplett der Boden unter den Füssen weggezogen zu werden scheint, eine gähnende Leere droht und nicht weniger als alles im Leben zusammenbricht.
Diese Dimension psychischer Krisen müssen wir im Auge behalten, wenn wir den Begriff „Spiritualität“ ebenfalls näher zu fassen versuchen. Dabei mögen hier verschiedene Ansätze der Deutung des Begriffs in gewisser Weise zusammenfließen, um die Grund-strukturen von „Spiritualität“ zu beschreiben.
Die Spiritualität eines Menschen umfasst im Normalfall das Gesamt der inneren Haltung und Lebensweise, die das enge Bezogensein auf sich selbst und das äußere Leben übersteigt und eine Orientierung schafft auf einen transzendenten Bereich hin, der als Sinn stiftend alles Existierende umfasst, aber auch übersteigt, um damit eine allumfassende Wirklichkeit zu erfahren, die tragend wirkt. Diese letztgültige Wirklichkeit ist der religiösen Dimension des Menschen zugeordnet und wird als heilig und/oder göttlich angesehen, zu der der Mensch in Beziehung treten kann und sich in ihr aufgehoben und geborgen fühlt.
Im Zugang zur Transzendenz übersteigt der Mensch seine Begrenzung im eigenen Ego und entwickelt daraus ein Verständnis seiner selbst, das ihn eingebettet sein lässt in das Gesamt des Kosmos und der erfahrbaren Wirklichkeit. Dies wirkt durchaus Sinn stiftend und liefert dem Menschen eine das bloß Faktische übersteigende Begründung und Grundlegung seiner Existenz, die allerdings ihrerseits durchaus auch Krisen bewirken können.
Ein spirituelles Leben wird somit gestaltet aus diesen Tiefen des Daseins. Diesseits und Jenseits scheinen hier im Einklang zu sein und eine Einheit und Ganzheit zu schaffen, wobei es allerdings durchaus geschehen kann, dass auch die als transzendent erfahrenen, sinnstiftenden Elemente der eigenen Haltung dem Leben gegenüber in die Krise geraten können, was dann umso schwerwiegender wirkt und daher „spirituelle Krise“ genannt wird.
Mit diesen Erläuterungen wird hoffentlich klar, dass mit „Spiritualität“ mehr gemeint ist als ein Ersatzbegriff für z. B. „Lebensphilosophie“ oder einfach „Lebensform“, sondern ist vielmehr an eine religiöse Form der Lebensbetrachtung gebunden, aus der die Begründung für menschliches und besonders auch menschenwürdiges bzw. als human verstandenes geistig-geistliches Handeln erwächst.
Folglich kann unter „Spiritualität“ eine religionsspezifische, eine nicht an eine bestimmte Religion festgemachte, aber gruppenspezifische oder eben auch individuell geprägte Orientierung verstanden werden.
Ich denke, die soeben formulierten Ausführungen haben die beiden Hauptelemente des Themas hinlänglich beschrieben. Es besteht nun die Aufgabe, die innere Beziehung zueinander von „Psychischen Krisen und Spiritualität“ untereinander zu beleuchten.
Das Thema „Psychische Krisen und ihre Bedeutung für spirituelle Entwicklung“ lässt zunächst einmal vermuten, dass jede psychische Krise Auswirkung auf die jeweils zugrundeliegende Spiritualität eines Menschen hat. Dem ist natürlich zunächst einmal nicht so, da nicht jeder Mensch einen spirituellen Lebenshintergrund entwickelt hat und demzufolge das Krisengeschehen nicht in einen allumfassenden bzw. religiösen Kontext stellt.
Dann handelt es sich nämlich bei einer solchen Gegebenheit schlicht um eine Problemsituation in einem Menschen, die der Lösung bedarf – und weiter nichts.
Umgekehrt bewirkt eine Auseinandersetzung mit der eigenen Spiritualität, so vorhanden, nicht unbedingt eine psychische Krise, so dass folglich „Spiritualität“ ebenso schlicht als bloßes „Interpretationsmuster von Wirklichkeit“ verstanden wird.
Je mehr ich mir allerdings die beiden Komponenten anschaue, desto mehr glaube ich, dass sie grundsätzlich doch miteinander verbunden sind. Die Begründung dafür ist vielleicht gar nicht so schwer: Wenn eine Situation von einem Menschen tatsächlich als Krise begriffen wird, dann handelt es sich eben nicht nur um ein Problem, das aus der Welt geschafft werden muss, sondern um ein Geschehen, das eben die Grundfesten des Selbst- und Weltverständnisses betrifft, mag dies zunächst auch in vielen Fällen als nicht religiös fundiert formuliert sein. Trotzdem spielen, aus meiner eigenen therapeutische Arbeit heraus geblickt, immer auch Glaubens- und Sinnvorstellungen eine Rolle, die häufig nur nicht in religiösen Begriffen gefasst wird, sondern eher Formulierungen enthält wie „das Ganze“, „das Umfassende“, „der letzte Sinn“ oder ähnliches.
Es scheint mir, dass der Mensch kaum in der Lage ist, sein/ihr Leben nur aus dem höchst beschränkten Radius des bloß faktisch Geschehenden begreifen zu können, weil ansonsten auch die Tiefe seiner /ihrer eigenen Existenz verloren geht.
Denn dies hätte zur Folge, dass jedes auch noch so große psychische Problem marginalisiert werden kann in ein nicht sauber funktionierendes Lebensgeschehen.
Die These lautet also: Wo keine Tiefe menschlichen Daseins existiert oder wahrgenommen wird, gibt es auch keine tiefen Probleme. Das scheint gewagt, ist aber vielleicht doch bedenkenswert. Denn ein weiteres Argument aus der therapeutischen Erfahrung mag diese These noch verdeutlichen: häufig versuchen Klienten, ihre Probleme herunterzuspielen genau bis zu dem Augenblick, bis sie wahrnehmen oder erkennen, wie tief und existentiell lebensbedrohend im psychischen Sinne ihre Krise eigentlich ist. Hier rührt dann der Mensch an eine eher diffuse Ahnung von der Bedeutung und dem Stellenwert der eigenen Existenz, mit der offensichtlich nicht zu spielen ist.
Es mag somit deutlich geworden sein, dass psychische Krisen und Spiritualität auch da untereinander verbunden sind, wo es zunächst offensichtlich nicht den Anschein hat.
Umgekehrt scheint mir ebenfalls eine innere Verbindung zu bestehen, da spirituelle Krisen eben auch einhergehen mit psychischen Krisen, da eine Problemlage im spirituellen Bereich nicht aus sich selbst heraus entsteht, sondern immer wieder durch bestimmte Faktoren bedingt ist, sei es aus direkten negativen Erfahrungen im Vermittlungsgeschehen von Spiritualität (z. B. im Lehrer-Schüler-Verhältnis), bestimmten Grenzerfahrungen im Umgang mit Spiritualität (z. B. Erwartungen von anderen an eine Änderung von Sichtweisen etc.), oder vor allen Dingen auch aus den Erwartungshaltungen, die ein Mensch seiner spirituellen Ausrichtung gegenüber einnimmt (z. B. Erwartungen an einen schnellen Vollzug von Entwicklung etc.).
Hier spielt das Erreichenwollen bestimmter Ziele häufig eine herausragende Rolle, was ja auf bestimmten Egostrukturen oder psychische Prozesse verweist, wie etwa, es jemandem beweisen zu wollen, gelernt zu haben, in jedem Fall ein gestecktes Ziel erreichen zu müssen, eine Selbstbewertung bei tatsächlichem oder vermeintlichem Versagen zu formulieren u.v.m. vorzunehmen
Folglich entsteht die Ahnung, dass Psyche und Spiritualität enger miteinander verwoben sind, als es zunächst wahrnehmbar erscheint.
Und genau dieser Beziehung mag jetzt nachgegangen werden, wenn psychische Krisen offensichtlich eine Auswirkung auf die Spiritualität eines Menschen haben.
In diesem Zusammenhang bedarf es zunächst einer Bewertung dessen, was eine psychische Krise bedeutet. Ein Mensch, der eine psychische Krise als eine Katastrophe in seinem Leben bewertet, scheint die Bedeutung einer Krisensituation noch nicht zu erfassen. Das mechanistische Denken unserer Tage legt es allerdings allzu häufig nahe, dass Krise einfach „nicht funktionieren“ bedeutet, so dass dieses Geschehen einer Art Reparatur bedarf, damit Leben wieder funktioniert. Dann ruft vielleicht jemand aus: „Ich kann mir das überhaupt nicht leisten, so daneben zu hängen!“ Wie schrecklich!
Hier erweckt der Mensch den Eindruck, dass, wenn er nicht richtig funktioniert, auch im Umfeld nichts richtig läuft: in der Familie, im Betrieb, in allen gestellten Aufgaben.
Die Lebenshaltung „Ich muss sauber funktionieren!“ lässt anscheinend wenig Spielraum für die Erfahrung der eigenen Person, die ja nur als funktionierendes wenn nicht gar automatisiertes Rädchen in einem großen Ganzen begriffen wird. Der Wert eines solchen Menschen liegt nur in der prinzipiellen, bei weiterem Nichtfunktionieren zu erwartenden Ersetzbarkeit, gegen die man sich sträubt und dabei sich selbst als menschliches Wesen opfert. Ein solcher Mensch gerät natürlich in eine Instabilität, wenn eine Krise droht oder akut wird.
Eine Krise scheint also mehr zu sein als ein Signal auf etwas gerade nicht Funktionierendes. Ein Krise ist ein zutiefst menschliches Phänomen im Gegensatz zu einer nicht mehr oder nicht mehr ausreichend funktionierenden Maschine.
Folglich ist eine Krise ein deutlicher Hinweis auf das eigene Verständnis des eigenen Menscheins. Eine Krise ist ein Interpretationsgeschehen im Blick auf die eigene Existenz. Etwas selbstverständlich Erscheinendes ist ins Stocken geraten und wirft den Menschen auf sich selbst zurück. Der Sinn liegt nicht in der Bewertung, dass etwas schlecht läuft, sondern im Hinweis, neu hinzuschauen auf das, was innerlich und äußerlich vor sich geht.
Folgt man diesem Geschehen weiter, so wird offensichtlich, dass eine Krise eine Herausforderung darstellt, sich selbst neu zu betrachten. Das zeigt konsequenterweise, dass eine wie auch immer geartete Krise, die sich psychisch manifestiert, nicht nur ein Niederlage, nämlich der bisherigen Lebensführung bedeutet, sondern eine Chance zu Veränderung, innerem Wachstum, Weiterentwicklung, Horizonterweiterung, menschlicher Entfaltung.
Leider haben wir in unserer Welt zu sehr gelernt, eine Krise als ein Manko zu begreifen denn als Geschenk, das eigene Leben neu zu vertiefen, um das zu realisieren, was jetzt im Leben ansteht.
Vielleicht wirken diese Worte besonders für ältere Menschen überaus provozierend. Aber wenn wir den Ursprung des lateinischen Wortes folgen, so bedeutet dies „hervorrufen“ und damit herauszurufen aus einer Situation, die eben nicht mehr stimmig ist. Und genau dies hat der Mensch zu erkennen: Die Situation ist in der vorliegenden Form nicht mehr stimmig, ich bin nicht mehr stimmig in mir selbst.
Dann aber wird es Zeit, sich der Krise zu stellen, weil diese der Motor für Weiterentwicklung bedeutet gerade da, wo unbekannte Horizonte sich auftun im Verständnis der eigenen Person und dessen, was jemand noch nicht verwirklicht hat. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass ein Scheitern in diesem Versuch der Bewältigung durchaus möglich ist.
Diese Aussage soll keine Mystifizierung einer Krise zum Ausdruck bringen, sondern vielmehr eindringlich deutlich machen, dass das Selbstverständnis des Menschen zutiefst angefragt ist und damit die jeweilige Sicht von Welt und dem Gesamten der Einordnung in diese Welt.
Je intensiver das Verhältnis etwa auch zur religiösen Dimension der eigenen Existenz sich gestaltet, desto mehr ist offensichtlich, wie sehr eine Krise die Spiritualität eines Menschen berührt.
In diesem Zusammenhang bedeutet es eine enorme psychische Hilfestellung zu sehen, dass der Mensch sich verändern darf und kann, sich aber nicht verändern muss, da widrige Umstände es zu fordern scheinen. Bei einer positiven Betrachtung der Situation erwächst nämlich eine Neugierde auf das Neue und eben besonders auf den Menschen selbst und seine/ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten, die angefragt sind und nicht sofort zurückgedrängt werden dürfen durch eine Haltung des „Das kann ich nicht!“.
Gerade die jahrzehntelange therapeutische Arbeit macht eines überdeutlich: die Bewältigung einer Krise (sofern diese nicht aus einer tatsächlichen Krankheit erwächst) geht nicht über die vorhandenen Kräfte eines Menschen hinaus, sondern fördert diese schrittweise – sofern sich der Mensch auf seinen Weg einlässt. Und dabei entscheidet es sich, ob eine Krise als Stolperstein oder als Hinweisschild auf dem eigenen Weg betrachtet wird.
Überdeutlich wird, dass es darauf ankommt, welche Haltung ein Mensch einer Krise gegenüber einnimmt.
Wenn er oder sie die Herausforderung annimmt, dass sich eben vieles, wenn nicht alles, im Leben verändert und damit auch eine spirituelle Veränderung zugelassen wird, stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Weg interessanterweise immer als Horizont- oder Bewusstseinserweiterung erfahren wird, nie aber als Verengung, sofern, – ja sofern der Mensch den Weg behutsam geht und nicht sich gleichsam mit der Brechstange einen „Durchbruch“ zu verschaffen trachtet. Eine solche Einstellung wird zum Beispiel da deutlich, wo sich ein Mensch einen viel zu engen Zeitrahmen zur Vollendung des Prozesses setzt und sich damit selbst unter einen erheblichen Druck setzt.
Wenn Krisen Wachstum bedeuten, ist die Spiritualität grundsätzlich mit einbezogen, denn Veränderung in dieser Form schafft eine neue innere Offenheit.
Das große Geheimnis spiritueller Entwicklung, die sich mit der Psyche gegenseitig fördert, liegt eben genau darin, nicht etwas Neues machen zu wollen, sondern zuzulassen, geschehen zu lassen, hineinzuspüren in das Ereignis, weit zu werden für Veränderungen.
Dies alles bewirkt Reifung, die bekanntlich nicht herzustellen ist.
Hier steht jeder Mensch in einer Krisensituation vor einer Entscheidung, die ich an zwei religiösen Beispielen aufzeigen möchte: als Jesus den reichen Mann, der das Himmelreich sucht, auffordert, alles abzugeben, geht er verlegen weg und verändert nichts. Als Jesus die Jünger auffordert, ihm zu folgen, lassen sie alles stehen und liegen und nehmen das Wagnis an. Beides sind wohl offensichtlich Krisensituationen, die eine sofortige und klare Entscheidung fordern: ja oder nein, ein ‚vielleicht’ gibt es nicht. Die Jünger lassen jedenfalls in ihrem Handeln eine völlig neue Sinngebung in ihrem Leben zu.
Das zweite Beispiel ist aus dem Leben des Buddha entnommen: seine erste Begegnung nach seiner Erleuchtung findet mit einem Wanderasketen statt, der zwar die Ausstrahlung des Buddha wahrnimmt, aber dem Buddha nicht glauben kann, dass er nirvana realisiert habe und daher kopfschüttelnd weggeht. Im Gegensatz dazu lassen sich die Begleiter der asketischen Praxis des Buddha vor seiner Erleuchtung trotz anfänglicher Ablehnung darauf ein, dass der Buddha ihnen seine Erfahrungen, d. h. seine Erleuchtung, kundtut und sie werden seine ersten Jünger. Damit lassen sie ebenfalls eine völlig neue Spiritualität in ihrem Leben zu, nachdem sie zuvor eher verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Kreislauf des samsara gesucht haben.
Wir wissen nur zu genau, dass wir immer wieder versuchen, Krisenbewältigungen und damit Veränderungen hinauszuschieben. Was damit geerntet wird, ist nur längeres Leiden!
Mögen die Auslöser für psychische Krisen auch ganz unterschiedlich sein, die Frage wird immer lauten: lässt Du Dich ein auf eine vielleicht fundamentale Veränderung, die Dich aber auch befreit.
Ein Beispiel mag auch hier helfen zu verstehen. Vor vielen Jahren kam einmal eine frühere Schülerin, die damals Theologiestudentin war, völlig aufgelöst zu mir. Schockiert erzählte sie mir von einer tief verletzenden Erfahrung, die sie gemacht hatte. Dann trat Schweigen ein, das schwer auszuhalten war. Aber manches braucht seine Zeit. Dann brach es unter Tränen aus ihr heraus: Gott existiert nicht!! Wieder ein langes Schweigen. Dann sagte ich: „Ja!“ – Fassungslosigkeit stand in ihrem Gesicht! Und wieder Schweigen, langes Schweigen, bis dass ich hinzufügte: „in der Form, wie Du ihn Dir vorgestellt hast!“ Das folgende Schweigen dauerte deutlich weniger lange bis sie haucht: „Das ist es!“ Und ihr ganzer Körper entspannte sich. Sie ist übrigens eine sehr gute Theologin geworden.
Spüren Sie lieber mehr, als dass Sie allein intellektuell verstehen wollen. Ein derartige Krise verändert jede Spiritualität.
Das Fazit lautet: Es bedarf sicherlich der Geduld und des Mutes, sich einer psychischen Krise zu stellen. Damit verbunden ist unverzichtbar die Forderung nach einer inneren Zustimmung zur Veränderung und Reifung. Ebenso unabdinglich ist das Zulassen der Umstrukturierung der eigenen Persönlichkeit, sowie die Lösung und Verabschiedung von festgefahrenen Lebens- und Verhaltensmustern besonders zur Bewältigung von Krisen. Es bedarf des Loslassens von den Strukturen, an denen das eigen Ego so gerne festhält, seien sie nun durch Prägung entstanden, durch Erfahrungen provoziert oder selbst entwickelt worden. Und es ist eine Durchlässigkeit gefragt hin auf eine Spiritualität, die immer mehr das je Größere und Allumfassender aufzunehmen bereit ist.
Dazu möchte ich Sie zutiefst ermutigen, gerade dann, wenn Sie sich in einer tiefen Krise befinden und alles Tragende zu zerbrechen droht. Geben Sie sich die notwendige Zeit und haben Sie den Mut, Ihre Krise als Chance zur Veränderung zu nutzen.
Dabei mögen Sie auch den Mut haben, Ihre eigenen Deutungshorizonte anzuschauen und ggf. mit kompetenter Begleitung zu beleuchten. Die Übernahme fremder Deutungsmuster für ein inneres Geschehen kann nämlich ansonsten zu erheblichen Abhängigkeiten von denen führen, die z. B. als so genannte Ratgeber, Lehrer o. ä. daran ein Interesse haben. Manche esoterischen Deutungen eines psychischen Geschehens bewirken nur, dass Sie sich der Gefahr aussetzen, neben Ihren Krisen darüber hinaus noch an sich selbst vorbei zu laufen.
Vordergründig schlüssig erscheinende Erklärungen bedürfen immer der Prüfung!
Das Ziel ist nämlich grundsätzlich ein reifer und mündiger Mensch, der psychische Krisen als Herausforderung erkennt, die eigene Spiritualität zu intensivieren. In dieser Aufgabenstellung scheint mir das Älterwerden eine herausragende Grundlage zu bieten, auf die Jahrzehnte langen Erfahrungen gestützt genau diese Reife und Mündigkeit immer mehr als tragenden Grund des eigenen Lebensvollzugs zu verstehen und – zu leben.
1 s. hierzu u. a. die Einträge im Internet zu den Stichworten
„Heiligenfeld Kliniken“, die einen eigenen fachlichen Zugang zu diesem Thema entwickelt haben
„Spirituelle Krisen“
„Psychische Krisen“
Die folgende Darstellung geht davon aus, dass es Berührungspunkte gibt zwischen den beiden großen Systemen „Lehre des Buddha“ und „Westliche Psychotherapie“. Es wird untersucht, in welcher Beziehung die Lehren des Buddha zu den Erkenntnissen und Techniken der westlichen psychotherapeutischen Schulen stehen. Dabei wird versucht, den Aussagen des Buddha entsprechende Positionen aus der Psychotherapie zuzuordnen. Eine solche Perspektive hat zur Folge, dass nur ein begrenzter Ausschnitt dessen zur Sprache kommen wird, was diese Systeme beinhalten. Damit ist auch gesagt, dass es nicht darum geht, sowohl alle Schulen des Buddhismus als auch alle Schulen der Psychotherapie im einzelnen zu betrachten, sondern sich auf die Grundstrukturen beider Blickrichtungen zu beschränken.
Der Lebensweg des Buddha (ca. 560 – 480 v. Chr.) ist gekennzeichnet von der Suche nach einem Weg, der es dem Menschen ermöglicht, im umfassendsten Sinn des Wortes heil zu werden. Dabei ist der Begriff „heil“ in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Zum einen meint er den Gegensatz zu „krank sein“ und zum anderen beinhaltet er „vollendete Entwicklung“.
Nach einer langen Phase der Erprobung der verschiedenen damals bekannten Schulen, die Anleitungen zur Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten propagierten, kam der später als der Buddha bezeichnete Siddharta Gautama aus dem Stamm der Shakyer zu dem Ergebnis, dass die Formen asketischer Praktiken und Meditation, die er vorgestellt bekam, dieses Ziel nicht zu erreichen in der Lage waren. Sein radikaler Entschluss, die vorgegebenen Wege nicht weiter zu verfolgen, da sie ihn letztlich nur an den Rand des Todes durch Unterernährung führten, hatte zur Folge, dass er sich der Aufgabe zu stellen hatte, eine völlig neue, eigene Lösung zu finden.
Er erkannte, dass nur eine konsequente Geistesschulung einen Weg schaffen könnte, und so setzte er sich in mehrwöchiger Meditation der Selbsterfahrung aus, um die in ihm anwesenden körperlichen, emotionalen, psychischen, geistigen und spirituellen Bedingungen auszuloten und einzuordnen.
Diese Praxis ließ ihn das weite Spektrum menschlicher Regungen gewahr werden. Aus den eigenen Klärungsprozessen, wie wir die meditativen Erfahrungen deuten können, ergab sich für ihn eine Einsicht in die Natur von Mensch und Welt, die ihn aus den Verstrickungen in die Abhängigkeiten äußerer und innerer Art heraushob und ihn zu einer Weisheit führte, die die Grundlage aller buddhistischen Schulen wurde.
Diese Weisheit formuliert der Buddha in seiner ersten großen Predigt von den „Vier Edlen Wahrheiten“. Sie bildet die Basis für einen Erkenntnisweg, der zutiefst befreiend wirkt und anhand der eigenen Erfahrung eine Klärung ermöglicht, deren höchste Vollendung in der Realisation von „nirvana“ liegt und die Überwindung des Leidens beinhaltet.
Die Gliederung der Predigt von den „Vier Edlen Wahrheiten“ lautet folgendermaßen:
- die Wahrheit vom Leiden,
- die Wahrheit von den Ursachen des Leidens,
- die Wahrheit von der Leidenserlöschung, nirvana, und
- die Wahrheit von dem zur Leidenserlöschung führenden Achtfachen Pfad.
Der Buddha legt einen Sprachgebrauch zugrunde, der wesentlich die Begriffe „Krankheit“ und „Heilung“ verwendet. So mag es denn auch nicht verwundern, dass sich der Buddha selbst als Arzt versteht, der das Handwerk der Heilung anhand geeigneter Mittel beherrscht.
Er selbst beschreibt sein Tun anhand des folgenden Gleichnisses und dessen Deutung:
„…, wenn ein Mann von einem Pfeil getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde, und seine Freunde, Genossen, Verwandte, Gevattern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt, und der heilkundige Arzt schnitte ihm mit einem Messer die Mündung der Wunde auf, dann suchte er mit einer Sonde nach der Spitze, und nachdem er diese gefunden, zöge er sie heraus, brächte die Giftsalbe weg, ohne Überrest, wohl wissend, es sei kein Rest mehr geblieben, und er spräche also: ‚ Lieber Mann, herausgezogen ist der Pfeil, weggebracht die giftige Salbe, ohne Überrest, und da kann dir keine Gefahr mehr drohen.“ …
„Das aber ist nun der Sinn. Die Wunde: das ist,…, eine Bezeichnung der sechs inneren Gebiete ((Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Denken, deren Vollzug Leiden bewirken kann)). Die Giftsalbe: das ist,…, eine Bezeichnung des Nichtwissens. Der Pfeil: das ist,…, eine Bezeichnung des Durstes. Die Sonde: das ist,…, eine Bezeichnung der Einsicht. Das Messer: das ist,…, eine Bezeichnung der heiligen Weisheit. Der heilkundige Arzt: das ist,…, eine Bezeichnung des Vollendeten, des Heiligen, vollkommen Erwachten ((des Buddha)).“
(Majjhima Nikaya 105, K.E. Neumann, Die Reden Gotamo Buddhos, Bd. 1, Zürich-Wien 41956, S. 812 u. 813)
Im Blick auf die „Vier Edlen Wahrheiten“ formuliert im 5. Jh. Buddhaghosa, der berühmte Interpret der Lehren des Buddha und Autor des Werkes „Visuddhi Magga“, “Der Weg zur Reinheit“:
„Wie eine Krankheit hat man die Leidenswahrheit zu betrachten, wie die Ursache der Krankheit die Wahrheit von der Leidensenstehung, wie die Heilung der Krankheit die Wahrheit von der Leidenserlöschung, wie die Arznei die Wahrheit vom Pfade.“
(Visuddhi Magga 512, Nyanatiloka, Konstanz, 1985, S. 596)
In seinem Buch „Haben oder Sein“, das Erich Fromm (1900-1980)1976 verfasste, orientiert er sich in seiner Darstellung eines möglichen Wandels in der grundsätzlichen Haltung des Menschen sich selbst und der Welt gegenüber, an dieser Grundstruktur, indem er schreibt:
„- Wir leiden und sind uns dessen bewusst.
- Wir haben die Ursachen unseres Leidens … erkannt.
- Wir sehen eine Möglichkeit, unser Leiden zu überwinden.
- Wir sehen ein, dass wir uns bestimmte Verhaltensnormen zu eigen machen und unsere gegenwärtige Lebenspraxis ändern müssen, um unser Leiden zu überwinden.“
(E. Fromm, Haben oder Sein, dtv 1490 , 201991, S. 161)
Gleichzeitig weist er darauf hin, dass sich dieses Schema des Buddha in den tiefenpsychologischen Ansätzen Sigmund Freuds wiederfindet und typisch ist für dessen therapeutisches Vorgehen:
„Freuds Heilmethode war im Grund ähnlich. Die Patienten konsultierten ihn, weil sie litten und sich dessen bewusst waren. … Das Wesentliche des psychoanalytischen Prozesses besteht darin, dem Patienten die Ursachen seines Leidens bewusst zu machen. ((d.h. Analyse ist ein Erkenntnisprozess!))
Aufgrund dieser Erkenntnis kann der Analysand den nächsten Schritt machen: Er kommt zu der Einsicht, daß sein Leiden heilbar ist, vorausgesetzt, daß dessen Ursachen beseitigt werden. … Aber ich glaube nicht, daß bei Personen, die unter einem diffusen Unbehagen leiden und deren Charakter verändert werden soll, eine dauerhafte Besserung erzielt werden kann, falls die angestrebte Charakteränderung nicht von einer entsprechenden Änderung ihrer Lebenspraxis begleitet wird.“
(ebd.162)
Wenn man diese Aussagen generalisiert, kann man folgendes Schema für fast alle westlichen psychotherapeutischen Schulen aufstellen:
WESTLICHE PSYCHOTHERAPEUTISCHE SCHULEN
VON DEN ERFAHRUNGEN DES MENSCHEN AUSGEHEND,
ANNÄHERUNG VON INNEN
KONZEPTE DES MENSCHLICHEN WESENS
- PROBLEMKONFRONTATION DES INDIVIDUUMS IN SEINER EXISTENTIELLEN SITUATION
- „ANALYSE” DER URSACHE DES PROBLEMS
Orientiert am Persönlichkeitsmodell der Schule
- LÖSUNG DES PROBLEMS IST MÖGLICH ALS PERSPEKTIVE
Motivation zur Wahl und zur Entscheidung, woraus Verantwortung erwächst
- WEGE ZUR LÖSUNG
Techniken zur Aktivierung latenter und schwach entwickelter Aspekte und Funktionen der
Persönlichkeit
ZIEL IST DIE ENTWICKLUNG UND ENTFALTUNG DES MENSCHLICHEN
POTENTIALS
Diese Hinweise erscheinen interessant genug, ihnen einmal im Detail nachzugehen und dabei eine strukturelle Parallelisierung der buddhistischen Grundlagen mit den psychotherapeutischen Modellen zu versuchen, zumal in unserer Gesellschaft im ganzen und im therapeutischen Bereich im speziellen ein wachsendes Interesse an asiatischer Philosophie und Religion festzustellen ist.
Im Folgenden werde ich anhand der in Pali verfassten Quellentexten des Theravada-Buddhismus, also der ältesten buddhistischen Tradition, die Predigt von den „Vier Edlen Wahrheiten“ und die darin enthaltene Existenzanalyse des Buddha entfalten, um die offensichtlichen Parallelen mit psychotherapeutischer Praxis aufzuweisen. Allerdings werde ich dabei keiner speziellen therapeutischen Schule folgen, da diese Darstellung eine Fundamentalanalyse beider Seiten versucht, die auch dem interessierten „Laien“ eine Hilfestellung im Verständnis an die Hand geben mag.
Die grundlegenden Äußerungen des Buddha in seiner Predigt von den „Vier Edlen Wahrheiten“, die weiter unten im Detail erläutert werden, ist folgendermaßen strukturiert:
DER WEG DES BUDDHA
SELBSTERFAHRUNG: MEDITATION
EINSICHT IN DIE NATUR DES MENSCHEN
DIE „VIER EDLEN WAHRHEITEN”
1. DIE WAHRHEIT VOM LEIDEN
Alles Leben ist Leiden. Dies ist greifbar in den menschlichen Erfahrungshorizonten von: Geburt, Altern, Sterben, Sorge, Klage, Schmerz, Trübsal, Verzweiflung, mit Unliebem
vereint und von Liebem getrennt zu sein sowie dem Nichterlangen von Gewünschtem. Darüber hinaus provozieren die sogenannten „Anhaftungsgruppen“ Leiden, nämlich
Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewusstsein.
2. DIE WAHRHEIT VON DEN URSACHEN DES LEIDENS
Die Ursachen des Leidens liegen in Gier, Hass und Unwissenheit.
3. DIE WAHRHEIT VON DER LEIDENSERLÖSCHUNG: NIRVANA
Leidenserlöschung (nirvana) liegt in der Freiheit von Gier, Hass und Unwissenheit
begründet.
4. DIE WAHRHEIT VON DEM ZUR LEIDENSERLÖSCHUNG FÜHRENDE
ACHTFACHER PFAD
Der Weg zur Aufhebung des Leidens wird durch den Achtfachen Pfad beschrieben, der
Vollkommenheit verlangt in Erkenntnis, Gesinnung, Rede, Tat, Lebensunterhalt,
Anstrengung, Achtsamkeit und Sammlung.
- Die Schulung von Erkenntnis und Gesinnung wird unter dem Oberbegriff
„Höchstes Wissen“ zusammengefasst.
- Die Schulung von Rede, Tat und Lebensunterhalt ist mit dem Oberbegriff „Sittlichkeit“ überschrieben.
- Die Schulung von Anstrengung, Achtsamkeit und Sammlung ist dem Oberbegriff „Meditation“ zugeordnet.
ZIEL IST ES, DEN MENSCHEN ZU SEINER SPEZIFISCHEN UND INNERSTEN
VERWIRKLICHUNGSFORM ZU FÜHREN: DIE ENTWICKLUNG ZUM NIRVANISCH GEPRÄGTEN MENSCHEN
Eine systematische Schulung beginnt in Rahmen der Sittlichkeit und wird von der meditativen Praxis und Erfahrung vertieft, die ihrerseits zu je tieferer Einsicht führen, so dass alle drei Aspekte spiritueller Entfaltung ineinandergreifen und nur theoretisch voneinander getrennt werden können.
Die einzelnen Aussagen der buddhistischen Lehre werden nun im Folgenden den therapeutischen Ansätzen gegenübergestellt. Schon hier kann darauf hingewiesen werden, dass die Erkenntnisse und Hilfestellungen des Buddha den Menschen betreffend auch über einen Zeitraum von mehr als 2500 Jahren nichts an Aktualität verloren haben, manches vielleicht sogar eine Herausforderung darstellt, bestimmte Zusammenhänge innerer Prozesse neu zu bedenken und in die Psychotherapeutische Praxis zu integrieren. Dabei sollte es nicht verwundern, dass ein religiöser Weg therapeutische Perspektiven beinhaltet, ist es doch Ziel aller Hochreligionen, den Menschen zu seiner spezifischen und innersten Verwirklichungsform zu führen, die der Entwicklung zum wahren Menschsein jenseits aller Verzerrungen verhilft. Die Sprache der Religionen und die der Psychotherapie mag zwar recht unterschiedlich erscheinen, ist aber bei näherem Hinsehen geeignet, als selbstverständlich erachtete Interpretationsmuster zu hinterfragen und in einen größeren Zusammenhang zu stellen, der gegenseitig befruchtend wirken kann.
Dies zu formulieren scheint gerade in der heutigen Zeit besonders wichtig zu sein, da Vorurteile Fremden und Fremdem gegenüber in unserer Gesellschaft nicht zu übersehen sind. Für den Therapeuten mag es dabei besonders provozierend erscheinen, dass bereits vor so langer Zeit Einsichten in die, wie wir es nennen, menschliche Psyche formuliert wurden, so dass nicht erst mit den bedeutenden Medizinern, Psychologen und Psychotherapeuten des 19. und 20. Jahrhunderts diese Dimension des Menschseins in den Blick gerückt ist. Vielmehr mag aufgrund der unterschiedlichen zeitgeschichtlichen und kulturellen Hintergründe aufleuchten, dass es genuin menschliche Strukturen und Problemstellungen in der Bewältigung des alltäglichen Lebens gibt, die zu allen Zeiten Fragen nach ihrer Lösung aufgeworfen haben.
Um aber nicht ganz auf diese Hinweise zu verzichten, mag die folgende katalogartige Übersicht zu diesem Thema eine Hilfe sein, aus den in den buddhistischen Texten dokumentierten Hinweisen eine Fülle an Denkanstößen zu entwickeln, die zu vertiefen dem einzelnen Leser überlassen bleiben mag, da sich vieles als Grundlage für Schulung und Therapie erweist.
Dabei erscheint es dem Autor wichtig, die genannten Kriterien auch als Anregungen für die z. Zt. langsam beginnende Diskussion über die persönlichen Anforderungen an eine Therapeutin/einen Therapeuten sowie eine Klientin/einen Klienten heranzuziehen.
Gerade auf dieser Ebene der Begegnung von Buddhismus und Psychotherapie hat der Buddha wohl Bemerkenswertes zu vermitteln wohl wissend, dass ein Erfolg nie zu machen ist.
Hilfestellungen zur Schulung und Techniken der Unterstützung
1) Eigenschaften des Buddha als Kriterien
– Weisheit und Liebe – Innere Ruhe – Selbstsicherheit – Sensibilität / Einfühlsamkeit – Mitleid – Wärme – Vermittlung von Geborgenheit, Vertrauen und Ermutigung – Milde – Friedfertigkeit – Höflichkeit (auch gegenüber Andersdenkenden) – Bescheidenheit – Zurückhaltung – Freundlichkeit – Geduld – Bemühen um die/den Einzelnen – Sorge um das Wohl des anderen Menschen – Menschenkenntnis: Einschätzung von Charakters und Fähigkeiten – Klarheit – Sich nicht provozieren lassen – Zwanglosigkeit – Achtung – Autorität
2) Einzelne Kriterien des Schulungsweges als Prozess der Wandlung
– Freiheitlichkeit als Basis – Orientierung an der konkreten Ausgangssituation – Beachtung der Ausgangslage z.B. der Reifegrad der Schülerin/des Schülers – Flexibilität bzgl. der Voraussetzungen der Schülerin/des Schülers – Hinweise auf mögliche Bindungen und deren Überwindung – Prüfung des Verständnisses der Unterweisungen – Unterstützung der Eigenständigkeit – Schutz vor „Dummheiten“ aufzeigen – Freiheit des Schülers, einen anderen Weg zu wählen – Ermutigung zur Prüfung der Anleitung – Ermutigung zur Ehrlichkeit – Ermutigung, auf sich selbst zu achten – Ermutigung zu Geduld und langsamem Fortschritt – Nicht-Klammern an Mittel (z.B. die Lehre) – Kontinuierliche, nicht überfordernde Anleitungen – keine Übertreibungen beim Üben – Ganzheitlichkeit von Körper, Emotion, Seele, Geist – Unterstützung der Kontinuität beim Üben – Hinweis auf den konkreten Augenblick des Übens – Heiterkeit – Freude und Gelassenheit – Schulung der Achtsamkeit nach innen und außen |
Schlussbemerkung:
Die Ausführung haben gezeigt, dass der spirituelle Weg des Buddha zu den psychotherapeutischen Verfahren nicht im Widerspruch steht. Die beeindruckend umfassende Erkenntnis des Buddha erweitert vielmehr den Horizont des psychotherapeutischen Vorgehens und bestätigt entscheidende Grundannahmen.
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Praxis von Spiritualität – wie hier die buddhistische – in jedem Fall und auf alle psychischen Problemstellungen eine Antwort geben kann. Dies ist allein deshalb schon nicht möglich, weil die Entwicklung dieser spirituellen Wege sich in Zeiten vollzog, in denen die Kenntnis dessen, was heute „psychisch“ genannt wird, nicht gegeben war. Umgekehrt ist aber durchaus feststellbar, dass psychotherapeutische Fragestellungen mit Erkenntnissen verschiedener spiritueller Wege aufgeschlüsselt werden können.
Wesentlich scheint zu sein, was man anhand der Lehrreden des Buddha als „Motivationsanalyse“ bezeichnen kann. Viele Problemstellungen, vor allem in sozialen Spannungsfeldern aber auch in der Ich-Entwicklung kann man grundlegend verstehbar machen, wenn man den Motiven folgt, die einen Klienten/eine Klientin vordergründig bewegen, um, diesen folgend, dahinter liegende, häufig unbewusste Antriebe aufzudecken und auf diese Weise Zusammenhänge von z. B. Erfahrungen und Handlungsstrukturen aufzudecken.
Denn solche Motive sind zumeist anerzogen oder gelernt und bestimmen das eigene Denken und Handeln.
Vor allem ist es in einem solchen Verfahren hilfreich, erkennen zu können, dass dem eigenen Denken und Handeln eine innere Logik zugrunde liegt, die es zu erschließen gilt. Immer wieder ist dabei festzustellen, welche fundamentale Erleichterung es auf der Seite des Klienten
/der Klientin mit sich bringt, im inneren Geschehen eine verstehbare Logik wahrzunehmen, um die häufig gestellte Frage „Ist mit mir etwas nicht in Ordnung?“ präzise angehen zu können. Denn es bildet bekanntermaßen eine enorme Entlastung für den Therapieprozess, wenn der Klient/die Klientin erkennen können „Also bin ich doch nicht verrückt!“
Auch Emotionen lassen sich auf diese Weise verfolgen und einordnen, so dass sie zunehmend in der Therapie das Empfinden als „Gefahrenpotenzial“ verlieren.
Solche Analysen, die im Buddhismus immerhin eine Tradition von über 2500 Jahre haben – wenn auch nicht unter dem Vorzeichen einer Psychotherapie, weil dieses Feld dem Geist und seinen Strukturen zugeordnet ist – bewirken eine Beruhigung des Bewusstseins, die zu einer immer größeren Klarheit führt, so dass tatsächlich letztlich eine „geläuterte Person“ sich entwickeln kann, deren fortschreitende Entfaltung dann durchaus mit religiösen Begriffen wie „nirvana“ „Allbewusstsein“ oder ähnlich formuliert werden kann, dann aber das Psychotherapeutische in unserem westlichen Verständnis übersteigt.
Diese Offenheit sollte durchaus positiv verstanden werden, da Psychotherapie ja keine Heilsbotschaft religiöser Art darstellt, sondern ein Durchgangsstadium in Krisenzeiten eines Menschen bedeutet.
Selbstverständlich sind im Prozess der Aufarbeitung von Problemen methodische Hilfestellungen wie Achtsamkeit, verschiedene Übungen und Meditation eine große Hilfe, die zunehmend in den therapeutischen Prozess Einlass finden und das nicht nur in der buddhistischen Therapie.
Sicherlich ist es nicht möglich, alle Details solch komplexer geistiger und psychischer Prozesse darzustellen. Vielleicht aber ist es gelungen, einige Anregungen zu geben, die beide Seiten zum Weiterdenken animieren.
Vor dem Hintergrund des hier Gesagten mag es wohl selbstverständlich sein zu erkennen, dass sowohl im Buddhismus wie auch in anderen Religionen und Weltanschauungen als auch in der Psychotherapie problematische Entwicklungen und Angebote offeriert werden, mit denen sich die Verantwortlichen und Entscheidungsträger im jeweils konkreten Fall auseinandersetzen sollten, um nicht falsche Etikettierungen zu unterstützen.
Diese können entstehen durch
- a) einseitige Darstellungen bestimmter Aspekt einer Lehre (wie dies besonders im Buddhismus häufig zu beobachten ist),
- b) Auslassung wesentlicher Gesichtspunkte, vor allem, wenn die Realisation dieser vielleicht mehr Mühe bereitet, als es der jeweilige Ansatz glauben machen möchte,
- c) Vermischung von unterschiedlichen Ansätzen, die aber gerade en vogue zu sein scheinen oder dem Anbieter größere Attraktivität versprechen
- d) ein unseriöses Verhalten der jeweiligen Lehrer oder Leiter, die mehr dem eigenen Ego dienen denn dem Interesse der Schüler oder Interessenten,
- e) werbewirksame Manipulationen und Versprechungen innerhalb der jeweiligen Angebote,
- f) missbräuchliche Verwendung spezieller Begriffe, die ein Vorverständnis bedienen, nicht aber dem tatsächlich angebotenen Weg entsprechen,
und vieles mehr.
Folglich gilt es, recht genau die Angebote und Qualifikationen der Anbieter zu betrachten, um letztlich auch die Spreu vom Weizen trennen zu helfen, ein Ansatz, der immer wieder von suchenden Menschen angefragt wird und sachgerecht bedient werden sollte.
1) Der vorliegende leicht veränderte und mit aktuellen Hinweisen ergänzte Artikel wurde als Vortrag am 26.5.2003 im „Zentrum für Tibetischen Buddhismus“ in Aachen sowie im Rahmen der „Düsseldorfer Mittwochsgespräche“ am 4.3.2009 (letzteres mit Sendung durch das WDR „Domradio“)
Zum Lesen bitte auf die Überschriften klicken!
Achtsamkeit – ein vielfältiges Ringen
Gedanken zum Buch: M. Zimmermann, Chr. Spitz, St. Schmidt (hrsg.), Achtsamkeit – Ein buddhistisches Konzept erobert die Wissenschaft, Huber (2) 2015
I) Ausgangssituation
Um es an den Anfang zu stellen: Das vorliegende Buch ist ein gelungenes Beispiel dafür um aufzuzeigen, welche Bandbreite die Auseinandersetzung mit der Achtsamkeit bereits einnimmt. Buddhistische Traditionen, Neurowissenschaften, Medizin, Psychologie und Psychotherapie, Pädagogik und Philosophie werden hier zusammengebunden in ihren Forschungsergebnissen und stellen auf diese Weise eine große Bereicherung für die aktuellen Diskussionen um ein adäquates Verständnis von „Achtsamkeit“ dar.
Eine solche Bemerkung tut geradezu gut auf dem Hintergrund der Tatsache, dass in unübersehbarer Fülle Angebote zur Achtsamkeitsschulung präsentiert werden, die häufig nur deutlich machen, dass ein Begriff werbewirksam verwendet wird, weil er in der heutigen Zeit so große Beachtung findet.
Folglich ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen keinen Überblick mehr darüber finden können, was sich hinter dem jeweils vorgestellten Begriff der Achtsamkeit verbirgt. Hier tut grundlegende Aufklärung not.
Gleichzeitig ist es erstaunlich, in welchem Ausmaß sich mittlerweile die verschiedenen Wissenschaften mit dieser Thematik auseinandersetzen und feststellen, dass eine Jahrtausende alte Tradition nunmehr scheinbar ganz neue Möglichkeiten im Umgang mit dem Menschsein liefert.
Selbstverständlich bieten die Lehren des Buddha eine riesige Fülle an Details zur Aufarbeitung des Themas, was allerdings nicht bedeutet, dass es nicht auch im Hinduismus und Christentum sehr interessante Hinweise auf eine solche Schulung gibt, die nur nicht in dieser Strukturiertheit vorgestellt wurden, aber heute ebenfalls an Bedeutung gewinnen.
Die inzwischen Regale füllende Flut an Büchern und Handreichungen zur Achtsamkeit scheint nicht selten zu insinuieren, dass Buddhismus gleichgesetzt sei mit Achtsamkeit. Dies ist natürlich sachlich falsch und zeigt die Notwendigkeit, das breite Spektrum der buddhistischen Anleitungen deutlicher in den Blick zu nehmen. Die Lehren des Buddha bieten einen Weg zur Realisation von Nirvana, dem endgültigen Verlöschen der drei menschlichen Grundübel Gier, Hass und Unwissenheit und die Entfaltung von grundlegenden positiven Haltungen wie Menschenfreundlichkeit, Mitgefühl, Geben uvm.
Damit ist ein Ziel vorgestellt, dass einen eindeutigen Charakter hat, nämlich Anhaftungen, Begierden, negative Haltungen etc. zu überwinden, um eine endgültige Klarheit des Geistes zu realisieren und den Kreislauf der Wiedergeburten zu beenden. Dies wird als die religiöse Seite des Buddhismus verstanden und hält sicherlich viele westliche Menschen davon ab, diesem Weg zu folgen, da er einer vielleicht fremden Religion und sicherlich andersartigen Kultur entspringt.
In seinen Predigten weist der Buddha eine Entwicklung für den Menschen auf, die aus der Schulung von Sittlichkeit, Meditation und Höchstem Wissen besteht. (1)
Im Bereich der Meditation und deren Schulung ist dabei der Begriff Achtsamkeit zu finden und hat somit eine entsprechende Verortung im gesamtbuddhistischen Denken, wird also niemals ohne einen umfassenderen Zusammenhang präsentiert.
Aber auch hier ist „Achtsamkeit“ nicht gleich zu setzen mit Buddhismus und Meditation! Was häufig nicht beachtet wird, ist die Tatsache, dass sich unter der Überschrift „Meditation“ eine ganze Reihe verschiedener Aspekte verbergen, die eigentlich zusammengehören, auch wenn man sie theoretisch voneinander trennen kann. Und nur einer davon wird übersetzt mit „Achtsamkeit“. Die Sachlage ist also etwas komplizierter, als es mit einem (z. T. inflationären) Gebrauch von „Achtsamkeit“ (Pali: Sati) den Anschein hat. Weitere Begriffe lauten: Konzentration (samadhi) gegen vielfältige Zerstreuungen, Entfaltung (bhavana) z. B. von Gemütsruhe, Freundlichkeit, Güte, Mitleid, Freude und anderem, ferner Einsicht (vipassana) sowie Versenkung (jhana). All diese Aspekte werden vom Buddha mit einer Vielzahl von Übungen entfaltet (2).
Nicht zu bestreiten ist, dass in den Lehren des Buddha der Achtsamkeit eine besondere Bedeutung zukommt und von daher bis auf den heutigen Tag besonders gepflegt wird, wobei die ursprüngliche Bedeutung von „sati“ lautet: im Gedächtnis behalten, Erinnerung. Folglich bedeutet „Achtsamkeit“, wie der Begriff später übersetzt wurde, sich des ständigen Stromes der Veränderungen bewusst zu werden und zu sein (3) und die Egostrukturen im Denken, Fühlen und Handeln aufzudecken und zu überwinden (4), sowie eine klare Präsenz des Geistes zu entwickeln (5).
Allerdings mag es den Nicht-Fachmann wundern zu hören, dass die Achtsamkeitsschulung in den verschiedenen buddhistischen Tradition ein weites Feld der Interpretation eröffnet hat, was der sechste Teil des zugrunde liegenden Werkes unter Bezugnahme auf sehr unterschiedliche Textgruppen beredt zum Ausdruck bringt. Die Feinheiten mögen hier den Fachmann interessieren, unverkennbar ist aber, dass der Begriff „Achtsamkeit“ nicht so ohne weiteres als generelle Bezeichnung für all das, was sich heutzutage dahinter verbirgt (oder versteckt wird) herangezogen werden kann. Dies scheint mir gerade zum jetzigen Zeitpunkt besonders wichtig zu beachten, da gewisse, z. T. auch heftige Polarisierungen einzelner Richtungen von Achtsamkeitsschulung und viel Konkurrenz untereinander festzustellen sind und der tiefgreifenden Auseinandersetzung um die Bedeutung von Achtsamkeit im alltäglichen Leben und auch in der intensiven Meditationspraxis schaden.
II) Zwei Richtungen der Achtsamkeitsschulung
Nach diesem ersten Schritt der Unterscheidung bezüglich des Blickwinkels auf die Achtsamkeit aus dem buddhistischen Kontext und die damit zusammenhängende Notwendigkeit der Differenzierung, bedarf es nun der Betrachtung des Begriffs „Achtsamkeit“ und dessen Anwendungen in den unterschiedlichsten Bereichen des Einsatzes dieser Schulung.
Der erste Aufsatz des Buches, von B.A. Wallace verfasst, lautet „Achtsamkeit: mehr als eine Methode zur Stressbewältigung“ (6) und zielt damit schon von Beginn an auf den Kern eines Problems, das heftige Diskussionen hervorbringt und eigentlich einer Vereinseitigung der Betrachtung von „Achtsamkeit“ entspringt. Betrachtet man das Problem genauer, ist erkennbar, dass sich die Auseinandersetzung darum dreht, welche inhaltliche Bandbreite der Achtsamkeit zugeschrieben werden kann und soll. Geht es darum, Achtsamkeit nur darauf zu lenken, was gerade jetzt geschieht und darin Ruhe zu finden oder Stress abzubauen, ohne dabei entsprechenden Handlungsimpulsen zu folgen, auch nicht zur direkten Verbesserung der momentanen Lebenssituation, in der es vielleicht Stress gibt?
- a) Diese Form der Achtsamkeitsschulung ist im Wesentlichen der intensiven Meditationstechnik zuzuordnen, die darauf abzielt, konzentriert anwesend zu sein in sich selbst jenseits möglicher Ziele, Bedürfnisse und auch Bewertungen. Zutiefst positiv ist diese, vor allem von Jon Kabat-Zinn und seinem Konzept des MBSR „Mindfulness-Based Stress Reduction“ propagierte Praxis zur Stressbewältigung, dass sie keinen Zielen und erwarteten Ergebnissen, wie z. B. mehr Leistung zu ermöglichen, untergeordnet wird und damit auch nicht manipulativ eingesetzt werden kann. Es wird nämlich davon ausgegangen, dass diese Form der Achtsamkeit in sich bereits Stressreduktion bewirkt.
In dieser Methode wird Achtsamkeit gezielt darauf gerichtet, ohne jede Wertung das wahrzunehmen, was gerade in der eigenen Person an (ggf. auch unangenehmen) Gefühlen, Gedanken etc. vor sich geht.
Dies geschieht durch den so genannten Body Scan (Körperwahrnehmung), sowie durch Sitzmeditation und (Atem)Yoga. Eine solche Ausrichtung der Achtsamkeit bewirkt durchaus den Abbau von Stress aufgrund der sich in der Übung verändernden Wahrnehmung. Bemerkenswert ist jedoch, dass in dieser vorgestellten Methode eine Situation entsteht, dass nämlich Absichtslosigkeit etwas beabsichtigt, nämlich Stressverminderung (7).
Zusätzlich monieren verschiedene Wissenschaftler, dass nicht hinreichend geklärt ist, ob die Anwendung der Methode selbst das Ergebnis der Stressreduktion bewirkt, da auch andere Faktoren eine positive Rolle spielen können, wie etwa der Kontakt zu anderen Menschen, ein strukturierter Tagesablauf oder ein Erfahrungsaustausch (8). Es wird sogar darauf verwiesen, dass es keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt hinsichtlich des von Jon Kabat-Zinn propagierten achtwöchigen Trainingskurses mit der Frage, wie diese Zeitspanne sich rechtfertigt (9).
Gleichzeitig muss bedacht werden, dass besondere z.B. psychische Voraussetzungen bei bestimmten Personen wie Angstzustände, psychotische Zustände oder traumatische Erfahrungen den Einsatz dieser Methode verbieten. Folglich bedarf es differenzierter Entscheidungen bezüglich des Einsatzes von MBSR und anderer Achtsamkeitstrainings (10).
Jon Kabat-Zinn bezieht sich, wenn auch nur indirekt, auf die Lehren des Buddha, entkleidet diese aber allem Buddhistischen als umfassendem Schulungsweg und destilliert gleichsam eine „reine“ Methode, die in sich selber schwebt (11). Jeder weitere Anwendungsschritt aus dieser Achtsamkeit heraus geht über den Ansatz hinaus und kann dann nur „additiv“ verwendet werden, wie etwa in der MBCT: Mindfulness-Based Cognitive Therapie, in der es um eine kognitive
Verhaltenstherapie geht (12).
Folglich muss dem Achtsamkeitstraining immer ein „Erweiterungsprogramm“ hinzugesetzt werden, wobei die reine Achtsamkeit nicht als solche tangiert werden darf. Es soll hier allerdings nicht im Geringsten bestritten werden, dass all diese methodischen Ansätze und vieles Ähnliche einen sehr heilsamen Effekt auf das Bewusstsein des Menschen haben und von daher verständlicherweise so populär sind.
- b) Trotzdem wird bei näherem Hinsehen deutlich, dass dieser Ansatz etwas ausklammert, was bereits der Buddha in seinem umfassenden Zugang zum Bereich „Meditation“ nicht müde wird zu betonen. Für ihn geht es nämlich neben aller
Versenkung, Beruhigung des Geistes etc. um die bewusste Aufmerksamkeit auf die Konsequenzen dieser Achtsamkeitserfahrung und dadurch um das bewusste
Erkennen dessen, was aus der in tiefer Ruhe wahrgenommenen inneren Einsichten in der konzentrierten Präsenz der jeweiligen Person als Wegweiser (!) aufscheint. Versenkung ist also das Eine und lässt die geläuterte Person ganz in sich anwesend sein. Nur wenn der Läuterungsweg im weitesten Sinne des Wortes (körperlich, seelisch, geistig, spirituell…) noch nicht seinen Abschluss gefunden hat, bedarf es der Umsetzung all dessen, was zur inneren Veränderung führt. Genau dies erkennt der Buddha als heilsam an, was sich bei ihm vor allem in der ethischen Auseinandersetzung mit dem Verhalten und den Lebensformen der Menschen zeigt (13). Gerade die aus der – vor allem meditativen – Einsicht in die Lebenszusammenhänge sich ergebenden Konsequenzen sind es, die es dann auch klar und deutlich zu beurteilen gilt: Wenn Denken, Reden und Handeln heilsam sind, sollen sie vollzogen werden, wenn sie Unheil bewirken, sind sie zu unterlassen (14)
Genau aus diesen Gründen formuliert das vorliegende Buch in Teil 5 den direkten Bezug von Achtsamkeit und ethischem Handeln als unverzichtbare innere Verbindung (15) und wendet sich damit auch von verschiedenen Seiten gegen die Vereinseitigung des MBSR (16).
Gerade im Hinweis auf die Verbindung von Achtsamkeit und (alltäglichem) Leben eröffnet der Buddha damit, wie mir scheint, einen aussergewöhnlichen Bezug von eigenem inneren Geschehen des Menschen in der Meditation und mitmenschlicher bis hin zu kosmischer Verbindung und Entfaltung. Hier haben die so genannten Entfaltungsmeditationen des Buddha ihren besonderen Platz: Allgüte, Mitleid, Mitfreude, Gleichmut als die „Vier universellen Verweilzustände“, wie diese zumeist übersetzt werden (17) sowie Mitgefühl, Geben, Geduld u.v.m., die in den Mahayana Praktiken intensiv zur Entwicklung gebracht werden (18). Zusammenfassen kann man all diese Gedanken in dem Statement des Dalai Lama:“ Achtsam sein heißt, den Geist bewusst zu gebrauchen“, sowie „Den Geist mit dem Geist untersuchen“ (19), womit nicht nur die Vernunft gemeint ist.
Es dürfte aus dem zweiten Schritt des Zugangs zur Achtsamkeitsschulung ersichtlich geworden sein, dass es genau zu unterscheiden gilt, ob Achtsamkeit so zu sagen restriktiv und gleichsam nur auf sich selbst bezogen, oder in der, der inneren und dynamischen Logik des Geschehens folgenden gezielten Erweiterung der aktiven Konsequenzen in alle Bereiche des menschlichen Lebens im Denken, Reden und Handeln hinein verstanden wird. Aus dieser Haltung entwickelt sich dann ein „Bewusstsein der Verbundenheit“ (20) gegen eine Haltung von Egozentrismus (21). Auf diesem Hintergrund sind dann auch die Anleitungen von Thich Nhat Hanh zu verstehen, einen „engagierten Buddhismus“ zu entwickeln durch die Achtsamkeit vor allem auf den Atem in allen alltäglichen Handlungen (22) und deren positive Ausrichtung.
III) Ergebnisse der Achtsamkeitsschulung in verschiedenen Wissenschaften
Folgt man dem letzteren Verständnis von Achtsamkeitsschulung, lassen sich alle weiteren Formen des Umgangs mit der Achtsamkeit, die sich entwickelt haben, leichter einordnen. Hier können allerdings nur diejenigen Formen einer Schulung gemeint sein, die nicht irgendwelchen vordergründigen Interessen folgen, wie dies leider viel zu häufig geschieht, da, wie bereits betont, mit „Achtsamkeit“ ein gutes Geschäft gemacht werden kann. Denn damit würde nur einer Haltung Vorschub geleistet, die Andreas Knuf berechtigterweise bezeichnet als „Der achtlose Umgang mit der Achtsamkeit“ (23) oder, wie Paul Grossmann treffend beobachtet: „Der Boom wird immer wilder“ und hiermit klar darauf verweist, dass Achtsamkeit nicht als Allheilmittel propagiert werden sollte! (24)
Folglich darf die Einordnung eines Achtsamkeitstrainings in was auch immer für
Kontexte zunächst einmal nur da erfolgen, wo deutlich das Bewusstsein und der Zusammenhang von Heil und Heilung in den Blick gerückt ist und nicht nur behauptet wird.
Gleichzeitig muss sehr genau darauf geachtet werden, dass nicht eine bloße Instrumentalisierung von Achtsamkeitsschulung erfolgt. Denn das hieße, diese Schulungen würden nur einen methodischen Vorteil bringen in gezielter Kombination mit z. B. neurologischen, medizinischen, psychotherapeutischen oder auch pädagogischen Ansätzen z. B. in der Behandlung von Stress, Schmerz, Krebs etc. oder bezogen auf die Ruhigstellung unruhiger Kinder, um einige Aspekte zu nennen, die das Buch präsentiert (25).
Dieser Gefahr sind allerdings die angeführten Autoren mit ihren Beiträgen nicht erlegen. Vielmehr wird der ernsthafte (Selbst-)Anspruch deutlich, sich genau dem zu widmen, was der Buddha mit „heilsam“ meint und mit heilsamen Techniken verbindet, weil diese dann auch den ganzen Menschen im Blick haben.
Sicherlich verweisen all diese Ansätze nicht darauf, den Weg des Buddha als religiösen Weg zu verfolgen, wohl aber dienen sie der Herausforderung, die durch die Achtsamkeit gleichsam selbst geschaffen wird, den Konsequenzen bestimmten Verhaltens nachzugehen und hineinzuspüren in das, was die entsprechenden Menschen gerade in ihren Krankheiten und Schwierigkeiten benötigen: ein sinnvolles, weil praktikables Instrumentarium zur Selbststeuerung an die Hand zu bekommen.
So wird in der Neurowissenschaft ein Training der Selbstregulation im Blick auf die Entfaltung von Mitgefühl angeboten (26). Im Bereich der Schmerzbekämpfung wird der Ansatz gewählt, die inneren Vorgänge zu beobachten und einen neuen Umgang mit dem Schmerz zu entwickeln, der zur Linderung führt, da alte Reaktionsmuster durch Selbstregulation unterbrochen werden (27). Im Umgang mit Krebs versucht man, die Patienten zu animieren, sich den Ängsten zu stellen und die Aufmerksamkeit auf die spezifischen Ressourcen eines Menschen zu fördern und eine adäquate Lebensführung ins Bewusstsein zu heben (28).
Im Rahmen der pädagogischen Forschung zur Bedeutung der Achtsamkeit im Schulalltag geht es zunächst um ein grundlegendes Einüben von Achtsamkeit, was den Umgang mit sich selbst und anderen Menschen deutlich verbessert (29). Gerade der Blick auf die eigenen inneren Vorgänge und Impulse sowie die eingeschliffenen Bewertungen der eigenen und fremder Personen erscheint äußerst hilfreich, weil hier eine Veränderung der Wahrnehmung und Bewertung besonders der eigenen Person möglich wird, da im Kindes- und Jugendalter Zweifel, Ängste und falsche Selbstbewertungen eine erhebliche Rolle spielen (30).
In all den aufgeführten Forschungen verbinden sich demnach die beiden Aspekte des Geschehens miteinander, nämlich die Achtsamkeit selbst und die Gestaltung der erkennbaren Konsequenzen in der Ausrichtung des Denkens, Redens und Handelns. In dieser Hinsicht erscheint mir das Buch als ausgesprochen hilf- und lehrreich. Um es in einem Bild zu fassen: die Achtsamkeit ergießt sich gleichsam überall da ins Leben hinein, wo die entsprechenden Einsichten zum Wohle der eigenen Person als auch der Mitmenschen konsequent und unterstützend eingesetzt werden.
Die unterschiedlichen Beiträge des Buches präsentieren eine bemerkenswerte Fülle an Beispielen, wie von den unterschiedlichsten Fragestellungen der unterschiedlichsten Wissenschaften her eine Vielfalt an Ideen entwickelt wurde und wird, die allemal dem Menschen und seiner Heilung dienen.
Interessant mag es sein, in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass in Deutschland langsam auch im Bereich der Ergotherapie eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Achtsamkeit entsteht mit einer Diskussion über den Einsatz von MBSR als in sich ruhender Technik und der postulierten Trennung von allen weiteren Therapieformen, oder der gezielten Weiterführung hin zu unterstützenden Maßnahmen im Blick auf einen Heilungsprozess im weiteren Sinne, wie es im Ansatz von „Selwa – Selbststeuerung durch wahrnehmungsbasierte Methoden“ präsentiert wird. (31) Hilfreich für diese Diskussion mag dabei das sehr instruktive Schaubild des „Liverpooler Arbeitsmodells zu den Wirkmechanismen der Achtsamkeit“ sein (32):
Wichtig erscheint in diesen Präsentationen zu sein, dass es einer Hinführung zur Achtsamkeit bedarf, nämlich in der Lenkung der Aufmerksamkeit auf das, was im Körper, den Gefühlen und im Geist des jeweiligen Menschen vor sich geht, um daraus eine Haltung der Achtsamkeit entwickeln zu können.
Auch in diesem Kontext gibt der Buddha klare Hilfestellungen, besonders im
Satipatthana Sutta, der „Lehrrede von den Grundlagen der Achtsamkeit“. In diesem Sutta zeigt er genau diesen Weg auf und lädt damit den Menschen ein, sich selbst und sein/ihr inneres Geschehen zu erforschen, um daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen (33). Ein solches Lernen bedarf natürlich eines längeren Übungsweges, und so scheint es nicht verkehrt, schon in der Schule die Vermittlung von Aufmerksamkeit, die in die Achtsamkeit mündet, einzuüben. Hier liefert das Buch wertvolle Handreichungen, aber auch Hinweise für einen sachgerechten Umgang mit der Achtsamkeit (34).
Aus all dem bisher Gesagten kann der Auftrag daher nur lauten, genau diese Forschungen weiterzuführen, was – wie mir scheint – ganz im Sinne des Buddha liegt, der sich nicht umsonst im umfassenden Sinn als Arzt und Heiler versteht (35). Als besonders weiterführende Literatur erweist sich hierbei der umfassende Überblick über die Einsatzmöglichkeiten von Achtsamkeitstrainings in den verschiedenen psychotherapeutischen Schulen, indem die „Wirkfaktoren der Achtsamkeit“ konsequent und das gesamte Spektrum möglicher positiver Ergebnisse des Achtsamkeitstrainings differenziert präsentiert werden (36).
IV) Ausblick
Auf diesem Hintergrund erübrigt sich wohl so mancher Streit um richtig oder falsch verstandene oder angewendete Achtsamkeitsschulung. Denn unter Berücksichtigung der oben genannten Ansprüche kann es nur eine Ausrichtung geben, die des heilsamen Handelns.
Folgt man diesem Ansinnen, kann es meines Erachtens nur eine Perspektive geben, nämlich in den Erkenntnissen sich nicht gegeneinander zu positionieren, sondern die Ergebnisse der Forschungen und Interpretationen dahingehend zu verstehen, in welcher Weise die eigenen Ansätze vertieft, differenziert oder erweitert werden können. Hier wäre eine Vernetzung der Anbieter von zielführenden, heilenden Achtsamkeitstrainings vielleicht die beste Option, um einen höchst konstruktiven gemeinschaftlichen Weg zu gehen (37) und dabei auch die Spreu vom Weizen zu trennen.
So sollte vielleicht doch der Blickwinkel des Buddha auf den Menschen und dessen Entwicklung durchaus weiter gepflegt werden. Denn es ist schlicht unumgänglich, für das Forschen eine Grundlage in einem auf Heilung ausgerichteten Menschenbild und Menschenverständnis zu haben!
Von einem solchen Menschenverständnis ausgehend ist sicherlich auch eine Diskussion mit dem Verständnis vom Menschen z. B. des Christentums und dessen Beiträgen zu Heil und Heilung für eine notleidende Welt möglich, zumal in christlichen spirituellen Schulungen die Bedeutung von Achtsamkeitsübungen schon lange erkannt worden ist. Dies mag nicht verwunderlich sein, gibt es doch auch hier genügend historische Quellen, die auf eine Achtsamkeitspraxis verweisen (38). Wenn auch dort die Quellen nicht so üppig sprudeln wie im Buddhismus, mögen doch die gegenseitigen Anregungen ihre Früchte tragen, um der Bedeutung der Achtsamkeit für das Leben des Menschen Ausdruck zu verleihen.
___________________________________________________________________
1) vgl. W. Siepen, Weg der Erkenntnis – Weg der Liebe, Das spirituelle Meister- Schüler-Verhältnis beim Buddha und bei Pachomius, Grünewald, 1992, S. 69-209 s. auch R. Gethin, in: M. Zimmermann …, S. 37-48 2) W. Siepen, a.a.O., S. 99-111, 186-197
- H. Gruber, in: M. Zimmermann …, S. 307
- hierzu auch Chr. Spitz, in: M. Zimmermann …, S. 263 – 276
- auch E.K. Neumaier, in: M. Zimmermann …, S. 325 ff
- A. Wallace, in: M. Zimmermann …, S. 21-35
- C. von Collande, in: „Buddhismus aktuell“I/2016, S. 40
- St. Schmidt, in: M. Zimmermann …, S. 125; oder auch P. Malinowski, in: „Buddhismus aktuell“ I/2016, S50 9) ebd.
- das Interview mit B. Hölzel, in: „Buddhismus aktuell“ I/21016, S. 32
- R. Gethin, in: M. Zimmermann …, S. 43
- St. Schmidt, in: M. Zimmermann …, S. 129-133
- auch J. Garfield, in: M. Zimmermann …, S. 227-249
- die Rede an die Kalamer, Anguttara Nikaya III 66 und viele weitere Belege
- verschiedene Autoren, in: M. Zimmermann …, S. 211-260, aber auch S. 25-28 16) z.B. B.A. Wallace, in: M. Zimmermann …, S. 28 17) vgl. Digha Nikaya 33 u. ö.
- auch B.A. Wallace, in: M. Zimmermann …, S. 30
- in: M. Zimmermann …, S. 211 und 212
- H.A. Senauke, in: M. Zimmermann …, S. 219
- Bhikkhu Bodhi, in: M. Zimmermann …, S. 251-260
- E.K. Neumaier, in: M. Zimmermann …, S. 335
- „Psychologie Heute“ 1/2016, S. 26
- S. 30f
- verschiedene Autoren, in: M. Zimmermann …,S. 59-208
- S. Lazar, in: M. Zimmermann …, S. 71-81 sowie U. Ott, ebd. S. 83-89
- U. Anderssen-Reuster, ebd. S. 103-114
- G. Dobos u.a., ebd. S. 135-145
- J. Elshorst u.a., ebd. S. 149-164
- V. Kaltwasser, ebd. S. 165-179
- A. Zillessen / R. Kintea in: „Ergopraxis“ 10/15, S. 44-46 und S. Thielen in:
Et Reha 52. Jg. 2013, Nr. 2: S. 11-17, hrsg. DVE
- P. Malinowski, in: M. Zimmermann …, S. 96
- Digha Nikaya 22 und in kürzerer Form Majjhima Nikaya 10
- verschiedene Autoren, in: M. Zimmermann …, S. 149-208, s. Anm. 29 u. 30
- z. B. Majjhima Nikaya 105
- E. Harrer, u. H. Weiss, Wirkfaktoren der Achtsamkeit – wie sie die
Psychotherapie verändern und bereichern, Schattauer 2016
- S. 17
- W. Siepen, a.a.O., S. 345 (vgl. Anm. 1)
Achtsamkeit ist mehr…
Man möchte meinen, dass es doch nun endlich genug sei. Hat sich nicht fast jede namhafte Zeitschrift – wie jetzt auch der „Focus“ 29/2016 – in irgendeiner Form dem Thema „Achtsamkeit“ genähert, um auf fast identischen Wegen die Bedeutung dieser Übung herauszustellen und dabei zumeist auch ein besonderes Loblied auf die stressreduzierende Wirkung von MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) zu singen.
In diesem Zusammenhang werden immer wieder bekannte Persönlichkeiten zitiert, die sich diesem Training gewidmet haben, sowie die vielfältigen Anwendungsgebiete – vor allem in heilenden Berufen – für diese Methode herausgestellt. Und es ist wahr, die dort beschriebenen Erfolge sind überall erkennbar und die Achtsamkeitsschulung, wie sie in diesen Zusammenhängen verstanden wird, von bemerkenswerter Effektivität.
Dies hat allerdings zwei beachtenswerte Konsequenzen:
- die Menschen – und vor allem die von Stress in jedweder Form geplagten – suchen immer mehr Zuflucht in diesen Techniken, zumal sie in nur wenigen Kurswochen im Wesentlichen erlernt werden können, und
- wird der Eindruck erweckt, dass damit eine Art Lebenselixier gefunden sei, das vor allem Wohlbefinden erzeugt, was wohl in unserer Gesellschaft zunehmend als der Lebensfaktor Nr. 1 angesehen werden darf.
Jedoch werden die kritischen Stimmen, die vor überzogenen Erwartungen warnen, wenn überhaupt, kaum wirklich berücksichtigt, sondern eher dazu genutzt, sich selbst gegen den Eindruck zu immunisieren, ein Allheilmittel zu propagieren.
Aber wird nicht auf diese Weise ein fataler Trend unterstützt, der in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft usw. allemal zu beobachten ist, nämlich eine Handreichung zu erhalten, die es zu verhindern hilft, wirklich hinschauen zu müssen?
Wird damit Stressabbau zum höchsten Ziel stilisiert? Oder sollte nicht der Großteil der Menschen langsam begreifen, dass eine innere Beruhigung nur die Voraussetzung sein kann, sich den wirklichen Problemen zu stellen?
Existieren eigentlich die hochkomplexen körperlichen, psychischen und mentalen Probleme so unglaublich vieler Menschen plötzlich nicht mehr, so dass sich „Achtsamkeit“ im Verständnis von MBSR und ähnlichen Ansätzen langsam (eher schnell) zu einer neuen Art des „Opium des Volkes“ entwickelt? Das wäre dann endgültig fatal!
Für eine solche Einschätzung gibt es durchaus durchschlagende Argumente, die jedoch nur höchst selten tiefgreifend mitbedacht werden.
Ist es nicht auffallend, dass alle umfassenden spirituellen Schulungen, wie die des Buddha oder auch die geistliche Führung des frühen Christentums, sowie psychische und psychotherapeutische Begleitungen und ganzheitliche medizinische Verfahren zwar grundsätzlich der „Achtsamkeit“ eine zentrale Bedeutung beimessen, diese aber nicht als Selbstzweck betrachten?
Stattdessen schafft die „Achtsamkeitsschulung“ ein durchgängiges Prinzip, dessen Ziel aber darin besteht, nicht eine oberflächliche Beruhigung – besonders des Geistes inklusive der Psyche – zu bewirken, sondern die Möglichkeit schafft, die Aufgaben- und Problemstellungen und deren Wurzeln (!) im einzelnen Menschen in der Tiefe zu erforschen, um z. B. einen umfassend ruhigen Geist zu entwickeln, der einem umfassenden Verständnis von Heil und Heilung entspricht.
„Achtsamkeit zur Stressbewältigung“ entlässt den einzelnen Menschen in seine individuelle Übungspraxis, die mehr oder weniger großen Erfolg mit sich bringt. Was aber darüber hinaus geht, benötigt eine Führung, die ganz andere Übungen z. B. zur Selbstfindung notwendig macht und sowohl den Anleitenden als auch den Angeleiteten vor deutlich tiefer gehende Herausforderungen stellt: sich selbst, sein/ihr Handeln, Denken und Fühlen sowie die individuellen Schwierigkeiten zu erkennen und als Weg zur wie auch immer gearteten Befreiung zu erkennen.
Wer sich hier die Landschaft der so unterschiedlichen Angebote anschaut, wird ziemlich schnell in Erfahrung bringen, ob jeweils die geforderten Qualifikationen auf beiden Seiten ausreichen.
Es ist vielleicht an der Zeit, noch einmal anhand der Vorgaben der großen Meister und Lehrer ins Bewusstsein zu heben, welche Ansprüche gestellt sind, dieser radikalsten Form menschlicher Begegnung Rechnung zu tragen.
Den Menschen in seiner jeweiligen Not ernst zu nehmen und dabei zu sich selbst (statt in Abhängigkeit von häufig selbsternannten Gurus oder angeblich Heil schaffenden Methoden und Mittel) zu führen, lässt sich mit einer Technik allein nicht bewirken[1]. Hier sind verständlicherweise viel tiefere Einsichten in die Bedingungen des Menschseins gefragt, die ihrerseits zutiefst einsichtig machen, welche Kriterien eben in einer solchen Begegnung von Menschen erfüllt sein müssen[2].
- für die Leiter: profundes und geprüftes Wissen, Verantwortung, Integrität, Wertschätzung der eigenen und der anderen Person, die eigene Geklärtheit, der Blick für das jeweils zu erreichen Mögliche, Vorbild zu sein, Vorsicht vor Übertreibungen, Wahrhaftigkeit, nicht persönliche Vorteilnahme welcher Art auch immer zu erwirken etc.
- für den Hilfesuchenden: Respekt vor dem Lehrenden, Offenheit, Vertrauen, Geduld, Wille zur Veränderung, Ehrlichkeit, Bereitschaft Hinweise anzunehmen, Ernsthaftigkeit etc.
Diese grundlegenden Haltungen aus der buddhistischen und frühchristlichen Schulung gelten natürlich auch für den therapeutischen Bereich. Dies zeigt, dass für die Entwicklung des einzelnen Menschen und die Überwindung von Problemstellungen eine menschliche Begegnung notwendig ist, die den Weg ebnet zu einer ganzheitlichen Gesundung und Reifung.
Sei achtsam!
[1] Hier sind nicht die Techniken zur Verbesserung der Selbststeuerung neuerer, sehr effektiver ergotherapeutischer Konzepte gemeint, die sich aus einer umfassenden Wahrnehmungsschulung durch eine detailliert angeleitete Innen- und Außenwahrnehmung in aktuellen Handlungsbezügen ableiten, wie dies etwa im Selwa-Konzept geschieht. Auf der Basis dieses Konzepts sind Weiterentwicklungen denkbar.
[2] vgl.: Wolfgang Siepen, Weg der Erkenntnis – Weg der Liebe, Das spirituelle Meister –Schüler-Verhältnis beim Buddha und bei Pachomius, Grünewald 1992, S. 223-234 und 435-450
2. Achtsamkeit ist mehr…
Man möchte meinen, dass es doch nun endlich genug sei. Hat sich nicht fast jede namhafte Zeitschrift – wie jetzt auch der „Focus“ 29/2016 – in irgendeiner Form dem Thema „Achtsamkeit“ genähert, um auf fast identischen Wegen die Bedeutung dieser Übung herauszustellen und dabei zumeist auch ein besonderes Loblied auf die stressreduzierende Wirkung von MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) zu singen.
In diesem Zusammenhang werden immer wieder bekannte Persönlichkeiten zitiert, die sich diesem Training gewidmet haben, sowie die vielfältigen Anwendungsgebiete – vor allem in heilenden Berufen – für diese Methode herausgestellt. Und es ist wahr, die dort beschriebenen Erfolge sind überall erkennbar und die Achtsamkeitsschulung, wie sie in diesen Zusammenhängen verstanden wird, von bemerkenswerter Effektivität.
Dies hat allerdings zwei beachtenswerte Konsequenzen:
- die Menschen – und vor allem die von Stress in jedweder Form geplagten – suchen immer mehr Zuflucht in diesen Techniken, zumal sie in nur wenigen Kurswochen im Wesentlichen erlernt werden können, und
- wird der Eindruck erweckt, dass damit eine Art Lebenselixier gefunden sei, das vor allem Wohlbefinden erzeugt, was wohl in unserer Gesellschaft zunehmend als der Lebensfaktor Nr. 1 angesehen werden darf.
Jedoch werden die kritischen Stimmen, die vor überzogenen Erwartungen warnen, wenn überhaupt, kaum wirklich berücksichtigt, sondern eher dazu genutzt, sich selbst gegen den Eindruck zu immunisieren, ein Allheilmittel zu propagieren.
Aber wird nicht auf diese Weise ein fataler Trend unterstützt, der in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft usw. allemal zu beobachten ist, nämlich eine Handreichung zu erhalten, die es zu verhindern hilft, wirklich hinschauen zu müssen?
Wird damit Stressabbau zum höchsten Ziel stilisiert? Oder sollte nicht der Großteil der Menschen langsam begreifen, dass eine innere Beruhigung nur die Voraussetzung sein kann, sich den wirklichen Problemen zu stellen?
Existieren eigentlich die hochkomplexen körperlichen, psychischen und mentalen Probleme so unglaublich vieler Menschen plötzlich nicht mehr, so dass sich „Achtsamkeit“ im Verständnis von MBSR und ähnlichen Ansätzen langsam (eher schnell) zu einer neuen Art des „Opium des Volkes“ entwickelt? Das wäre dann endgültig fatal!
Für eine solche Einschätzung gibt es durchaus durchschlagende Argumente, die jedoch nur höchst selten tiefgreifend mitbedacht werden.
Ist es nicht auffallend, dass alle umfassenden spirituellen Schulungen, wie die des Buddha oder auch die geistliche Führung des frühen Christentums, sowie psychische und psychotherapeutische Begleitungen und ganzheitliche medizinische Verfahren zwar grundsätzlich der „Achtsamkeit“ eine zentrale Bedeutung beimessen, diese aber nicht als Selbstzweck betrachten?
Stattdessen schafft die „Achtsamkeitsschulung“ ein durchgängiges Prinzip, dessen Ziel aber darin besteht, nicht eine oberflächliche Beruhigung – besonders des Geistes inklusive der Psyche – zu bewirken, sondern die Möglichkeit schafft, die Aufgaben- und Problemstellungen und deren Wurzeln (!) im einzelnen Menschen in der Tiefe zu erforschen, um z. B. einen umfassend ruhigen Geist zu entwickeln, der einem umfassenden Verständnis von Heil und Heilung entspricht.
„Achtsamkeit zur Stressbewältigung“ entlässt den einzelnen Menschen in seine individuelle Übungspraxis, die mehr oder weniger großen Erfolg mit sich bringt. Was aber darüber hinaus geht, benötigt eine Führung, die ganz andere Übungen z. B. zur Selbstfindung notwendig macht und sowohl den Anleitenden als auch den Angeleiteten vor deutlich tiefer gehende Herausforderungen stellt: sich selbst, sein/ihr Handeln, Denken und Fühlen sowie die individuellen Schwierigkeiten zu erkennen und als Weg zur wie auch immer gearteten Befreiung zu erkennen.
Wer sich hier die Landschaft der so unterschiedlichen Angebote anschaut, wird ziemlich schnell in Erfahrung bringen, ob jeweils die geforderten Qualifikationen auf beiden Seiten ausreichen.
Es ist vielleicht an der Zeit, noch einmal anhand der Vorgaben der großen Meister und Lehrer ins Bewusstsein zu heben, welche Ansprüche gestellt sind, dieser radikalsten Form menschlicher Begegnung Rechnung zu tragen.
Den Menschen in seiner jeweiligen Not ernst zu nehmen und dabei zu sich selbst (statt in Abhängigkeit von häufig selbsternannten Gurus oder angeblich Heil schaffenden Methoden und Mittel) zu führen, lässt sich mit einer Technik allein nicht bewirken[1]. Hier sind verständlicherweise viel tiefere Einsichten in die Bedingungen des Menschseins gefragt, die ihrerseits zutiefst einsichtig machen, welche Kriterien eben in einer solchen Begegnung von Menschen erfüllt sein müssen[2].
- für die Leiter: profundes und geprüftes Wissen, Verantwortung, Integrität, Wertschätzung der eigenen und der anderen Person, die eigene Geklärtheit, der Blick für das jeweils zu erreichen Mögliche, Vorbild zu sein, Vorsicht vor Übertreibungen, Wahrhaftigkeit, nicht persönliche Vorteilnahme welcher Art auch immer zu erwirken etc.
- für den Hilfesuchenden: Respekt vor dem Lehrenden, Offenheit, Vertrauen, Geduld, Wille zur Veränderung, Ehrlichkeit, Bereitschaft Hinweise anzunehmen, Ernsthaftigkeit etc.
Diese grundlegenden Haltungen aus der buddhistischen und frühchristlichen Schulung gelten natürlich auch für den therapeutischen Bereich. Dies zeigt, dass für die Entwicklung des einzelnen Menschen und die Überwindung von Problemstellungen eine menschliche Begegnung notwendig ist, die den Weg ebnet zu einer ganzheitlichen Gesundung und Reifung.
Sei achtsam!
[1] Hier sind nicht die Techniken zur Verbesserung der Selbststeuerung neuerer, sehr effektiver ergotherapeutischer Konzepte gemeint, die sich aus einer umfassenden Wahrnehmungsschulung durch eine detailliert angeleitete Innen- und Außenwahrnehmung in aktuellen Handlungsbezügen ableiten, wie dies etwa im Selwa-Konzept geschieht. Auf der Basis dieses Konzepts sind Weiterentwicklungen denkbar.
[2] vgl.: Wolfgang Siepen, Weg der Erkenntnis – Weg der Liebe, Das spirituelle Meister –Schüler-Verhältnis beim Buddha und bei Pachomius, Grünewald 1992, S. 223-234 und 435-450
Chancen und Grenzen spiritueller Heilungsangebote in Christentum und Buddhismus – Grundsätze und Kriterien
Heilen ist ein Geschenk, das sich auf vielfältige Aspekte menschlicher Existenz beziehen kann: körperliche, seelische, geistige, religiös-spirituelle. Vielleicht gibt es auch noch andere Dimensionen, die hinein genommen werden müssen im Blick auf Heilen und Heilung, immer aber stehen sie in einem Spannungsfeld von Individuum und Gemeinschaft, Profanem und Transzendentem, will man den Begriff des Heilens nicht verengen auf ein bloß körperliches Einwirken auf jemand anders mittels entsprechender Wirkstoffe oder chirurgischer Eingriffe. Es ist hinlänglich bekannt, dass körperliche Einwirkung allein wenig ausrichtet, wenn nicht auch psychische oder geistige Kräfte aktiviert werden – sei es von außen oder innen – um einen so komplexen Vorgang wie Heilen zu initiieren oder zu intensivieren. Und nicht selten stoßen wir dabei auf die Tatsache, dass religiöse oder weltanschauliche Ausrichtungen des Heilenden wie des zu Heilenden einen gewichtigen Deutungshorizont von heilenden Aktivitäten darstellen und daher Beachtung finden müssen. Somit erweist sich Heilen als ein so vielschichtiger Prozess, dass sich darin nicht selten die Gesamtheit einer Person auf dem Prüfstand befindet bzw. in Frage steht. Damit ist auch das existentielle Fundament des Menschseins in einen umfassenden Interpretationshorizont und in die Beantwortung von Sinnzusammenhängen hineingestellt.
Folglich ist eine rein naturwissenschaftliche Betrachtung des Vorgangs immer überstiegen und führt in die Begegnung von Menschen auf einer so tief greifenden Ebene, dass daraus allein schon anthropologische, philosophische oder religiöse Implikationen erwachsen, die diesem Stellenwert gerecht werden müssen. Oder umgekehrt formuliert: anthropologische, philosophische oder religiöse Deutungen von Welt und Mensch dienen im Verständnis von Heilen grundsätzlich bereits als Rahmen, in den der Mensch in seiner Krankheit und seinem Leiden eingeordnet ist und sein Selbstverständnis bereits vorformuliert ist.
Diese Gedankengänge vermitteln zwangsläufig den Eindruck, dass „Heilen“ nicht den Menschen betrifft in einer Situation der Unordnung eines Gesamtsystems, das „nur“ korrigiert werden muss, um erneut voll funktionstüchtig zu werden, sondern eingesenkt ist in die Fragestellung nach einem umfassenden Heil-werden als ganzheitliches Geschehen.
Aus diesen Erkenntnissen erwächst die Ernsthaftigkeit, in der die Fragen nach Risiken und Chancen von Heilungsangeboten verortet sind.
Um nun die Möglichkeiten und Grenzen von Heilungsangeboten näher in den Blick zu nehmen, bedarf es der Differenzierung einiger soeben vorgestellter Aspekte. Egal, auf welche Weise Heilung praktiziert wird, sie findet nie in einem Bedingungs-losen Raum statt, der gewährleisten könnte, dass Heilung nur in sich betrachtbar wäre als der genuine Vorgang eines allein in sich selbst ruhenden Entwicklungsprozesses von einem kranken in einen gesunden Zustand. Denn ob der Mensch sich nun allein auf eine naturwissenschaftliche oder religiöse bzw. esoterische Betrachtung von Heilung einlässt, in jedem Falle liegen Deutungsmuster zugrunde, die – ob man will oder nicht – Abhängigkeiten von diesen provozieren. Aber nicht nur die Deutungszusammenhänge schaffen solche Abhängigkeiten, sondern auch die Funktionalismen wie etwa Medikamente, chirurgische o. ä. Eingriffe sowie die Personen, die bestimmte Deutungen vorgeben oder nahe legen: Ärzte, Psychologen, Priester, Schamanen, Geistheiler, Medien etc., ohne dass an dieser Stelle eine Unterscheidung und Qualifizierung vorgenommen werden soll. Im Zentrum all dieser Ereignisse steht der zu Heilende, der sich mehr oder weniger intensiv auf all die genannten Faktoren einlässt oder einlassen muss. Denn die Person, die Heilung sucht, hat die Aufgabe, den Sinn des Geschehens für sich selbst einzuordnen und zu bewerten, um auf diese Weise die eigenen inneren heilenden Kräfte freizusetzen, ohne die keine Heilung geschehen kann. Somit ereignet sich ein permanenter Vermittlungsprozess zwischen Heiler und zu Heilendem, der sich umso tiefgreifender gestaltet, je existentieller bzw. ganzheitlicher die Art des Heilungsvorgangs die beteiligten Personen betrifft. Hier leuchtet noch einmal die Bedeutungsintensität des Heilens auf, wobei nicht vergessen werden darf, dass dabei ja ein strukturales Ungleichgewicht zwischen dem, der Heilung anbietet, und dem Heilungsbedürftigen besteht, da ja die Not und die Notwendigkeit der Veränderung auf Seiten des Hilfesuchenden liegt.
Dieses Ungleichgewicht fordert daher umso mehr die moralische Qualifikation und Seriosität der Heilungs-Anbieter, will man Heilung eben nicht bloß als Reparaturmechanismus bezüglich aus der gewünschten Funktion geratenen Teile oder Prozesse verstehen.
Es erscheint daher völlig selbstverständlich zu sein – wenn auch lange nicht überall so praktiziert -, dass die Grundsätze des Verständnisses von Heilung, Heiler, zu Heilendem und deren hintergründigen Deutungshorizonten aufgezeigt werden müssen, ohne die Heilung leicht zu einer Manipulation und der Heilung Suchende zu einem Objekt in den Händen des Heilers degradiert werden, was niemandem gerecht werden kann. Sollte nämlich diese grundlegende Forderung bereits ganz oder in einem Teil nicht beachtet werden, sind Missbrauch oder Abhängigkeit Tür und Tor geöffnet, indem der Heilung Suchende in eine Unfreiheit hineingeführt wird, die z. B. in überzogenen Ansprüchen auf „Hingabe“ an den Heiler oder an seine Kenntnisse, Qualifikationen oder Führungen etc. allzu häufig einen Machtmissbrauch als Grenzüberschreitung offenkundig werden lässt.
Aus diesen Reflexionen heraus wird verständlich, warum das Ringen um Kriterien oder Grundsätze für „Heilen“ so alt ist wie die Kunst des Heilens selbst und sich darin die Möglichkeiten und Grenzen von Heilungsangeboten erschließen lassen, die im Folgenden näher betrachtet werden. Und da hier der Blick auf den Buddhismus und das Christentum gerichtet ist, wird auf zwei Traditionslinien verwiesen, die eine Jahrtausende alte Grundlage entwickelt haben, die auf lebendiger Erfahrung und konsequenter Auseinandersetzung mit den Fragen des Umgangs mit Menschen in jedweder Not gründen, auch wenn, geschichtlich gesehen, sich so manche spätere Entwicklungen als Irrwege erwiesen haben. Fehlentwicklungen geschehen vor allem dort, wo aus einer Erstarrung religiöser Vorstellungen die Lebendigkeit des Ursprungs verloren geht oder die Brüchigkeit so mancher ernst gemeinter Ziele offenkundig wird.
Da jedoch Fehlentwicklungen nichts über die Bewertung der ursprünglichen Erfahrungen aussagen, bedeutet dies auch, dass es einer permanenten Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen – hier speziell von Heilungsangeboten, aber sicherlich auch im Blick auf jede spirituelle Schulung – bedarf, um immer wieder das Bewusstsein auf die Ansprüche in einem solchen Geschehen auszurichten und den lebendigen und ernsthaften Austausch über das komplexe Meister-Schüler-Verhältnis oder Heiler-Kranker-Verhältnis zu suchen. Die bloße Bindung an und Unterwerfung unter einen Meister kann folglich nicht genügen, um in dieser – wie bereits herausgestellt – höchst intensiven Begegnung von Menschen einen tragfähigen Grund zu schaffen, der sowohl den Menschen als auch der Art der Begegnung dienlich ist.
Damit sollen nun die Kriterien herausgestellt werden, die in der Frühzeit des Buddhismus und des Christentums entwickelt wurden bezüglich einer – ganzheitlich gedachten – Heil-schaffenden Begegnung von denen, die mit bestimmten Fähigkeiten und Kräften ausgestattet sind, mit jenen Menschen, die der Unterstützung bedürfen.
Schauen wir zunächst auf den Buddhismus, da dieser die deutlich ältere Tradition darstellt und einen enormen Fundus an Erfahrungen zur Verfügung stellt. Der Buddha, der etwa zwischen 560 und 480 vor unserer Zeitrechnung in Nordindien lebte, versteht sich selbst als Arzt, der durch seine Lehre von den „Vier Edlen Wahrheiten“ eine Analyse der Krankheiten sowie die entsprechenden Heilmethoden zur Verfügung stellt, um durch diese Gesundheit zu bewirken.
Die „Vier Edlen Wahrheiten“ formulieren dabei die Erfahrung des Leidens, seine Ursachen in Gier, Hass und Unwissenheit, dessen Aufhebung in der Realisation von nirvana als Aufhebung von Gier, Hass und Unwissenheit sowie den Weg zur Realisation von nirvana in einzelnen Schritten.
In M 105 formuliert der Buddha ein Gleichnis mit einer entsprechenden Deutung. Es heißt:
„…, wenn ein Mann von einem Pfeil getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde, und seine Freunde, Genossen, Verwandte, Gevattern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt, und der heilkundige Arzt schnitte ihm mit einem Messer die Mündung der Wunde auf, dann suchte er mit einer Sonde nach der Spitze, und nachdem er diese gefunden, zöge er sie heraus, brächte die Giftsalbe weg, ohne Überrest, wohl wissend, es sei kein Rest mehr geblieben, und er spräche also: ‚ Lieber Mann, herausgezogen ist der Pfeil, weggebracht die giftige Salbe, ohne Überrest, und da kann dir keine Gefahr mehr drohen.’ …
„Das aber ist nun der Sinn. Die Wunde: das ist,…, eine Bezeichnung der sechs inneren Gebiete (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Denken, deren Vollzug Leiden bewirken kann). Die Giftsalbe: das ist,…, eine Bezeichnung des Nichtwissens (durch das Leiden weiterhin bestehen bleibt). Der Pfeil: das ist,…, eine Bezeichnung des Durstes (die egozentrische Gier nach mehr, die Abhängigkeit bewirkt). Die Sonde: das ist,…, eine Bezeichnung der Einsicht (als Mittel, das gesamte Geschehen zu durchschauen). Das Messer: das ist,…, eine Bezeichnung der heiligen Weisheit (d. i. die Lehre von den „Vier Edlen Wahrheiten“). Der heilkundige Arzt: das ist,…, eine Bezeichnung des Vollendeten, des Heiligen, vollkommen Erwachten (des Buddha).“
(Majjhima-Nikaya 105, K.E. Neumann (übers.), Die Reden Gotamo Buddhos, Bd. I, Mittlere Sammlung, Zürich-Wien (4)1956, S. 812 u. 813)
Die gesamte Tradition des Buddhismus orientiert sich im weiteren Verlauf der Geschichte an dem Gedanken der Heilung. Im Blick auf die „Vier Edlen Wahrheiten“ formuliert etwa Buddhaghosa (5.Jh.), der berühmte Interpret der Lehren des Buddha und Autor des Werkes „Visuddhi Magga“, “Der Weg zur Reinheit“:
„Wie eine Krankheit hat man die Leidenswahrheit zu betrachten, wie die Ursache der Krankheit die Wahrheit von der Leidensentstehung, wie die Heilung der Krankheit die Wahrheit von der Leidenserlöschung, wie die Arznei die Wahrheit vom Pfade.“
(Visuddhi-Magga 512, Nyanatiloka (übers.), Der Weg zur Reinheit, Konstanz, 1985, S. 596)
Diese Linie lässt sich später weiter verfolgen bis hin zu den Darstellungen des bzw. der Medizinbuddhas im Tibetischen Buddhismus.
Damit ist ein weites Feld geöffnet, das unmissverständlich deutlich macht, dass das religiöse Geschehen der Orientierung an den „Vier Edlen Wahrheiten“ des Buddha eine Ausrichtung bedeutet, die den Menschen heil werden lassen möchte an Körper, Seele und Geist.
Wenn auch der Buddha sich selbst und seine Lehre in den Dienst des Heilens stellt, so lehnt er es doch für sich selbst ab, Heilungen im medizinischen Sinne vorzunehmen, obwohl von ihm sonst eine Reihe so genannter übernatürlicher Fähigkeiten berichtet wird.
Diesen Voraussetzungen eines heilenden Angebots stellt der Buddha eine Forderung zur Seite, deren Bedeutung für alle spirituelle und heilende Praxis eine geradezu zwingende Notwendigkeit darstellt und in einer Rede an eine Gruppe von Menschen, Kalamer genannt, festgehalten ist:
„Geht, Kalamer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kalamer, selber erkennt: ‚Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden’, dann, o Kalamer, möget ihr sie aufgeben.“
(Anguttara-Nikaya II 66, Nyanaponika (hrsg.), Die Lehrreden Des Buddha Aus der Angereihten Sammlung Bd. I, Freiburg i. Br., (4)1984, S. 168)
Umgekehrt soll das, was als gut und heilsam erkannt wird, getan werden, wie derselben Textstelle zu entnehmen ist. Wird diese Voraussetzung beachtet, kann eine Begegnung von Menschen auf welcher Ebene auch immer nicht zu falschen Abhängigkeitsverhältnissen, Machtmissbrauch und überzogenen Verehrungshaltungen führen. In heutigen Begriffen gesprochen, wird auf diese Weise die Würde aller beteiligten Personen betont, ohne die eine gegenseitige Zuwendung von Meister und Schüler oder Heiler und zu Heilendem nicht gelingen kann. Folglich sind die Bedeutung und die Tragweite der religiösen und heilenden Begegnung in das Zentrum menschlicher Existenz hinein gestellt und vermitteln gleichzeitig die Haltungen von Hochachtung sowie Respekt und verlangen auf beiden Seiten ein hohes Maß an Authentizität. Diese kann natürlich nur aus einer Haltung radikaler Ehrlichkeit sich selbst und der anderen Person gegenüber erwachsen. Konsequenterweise muss alles Handeln, das unter dem Stichwort „buddhistisch“ angeboten wird, die genannten Haltungen generell aufweisen, die im Folgenden weiter entfaltet werden.
Wie bereits zu erkennen, verweist der Buddha auf einen Rahmen, den seine Grundlagenpredigt von den „Vier Edlen Wahrheiten“ bildet. Ohne eine solche Einbettung in einen Gesamtzusammenhang von Mensch, Welt und endgültiger Befreiung bleibt jedwedes Handeln, so auch das Heilen, bruchstückhaft und zufällig. Daher besteht der Anspruch, die Lehrsysteme transparent zu machen, in denen heilende Prozesse eingebettet sind. Ansonsten laufen die beteiligten Personen Gefahr, den Kern des Geschehens, zumindest in den Grundideen, nicht einsichtig zu machen.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir durchaus erwähnenswert, dass die Meister oder Heiler sich selbst als personifizierte Beispiele im Vorleben der entsprechenden Lehrpositionen verstehen und so, gerade auch im Blick auf die religiösen Implikationen, in ihren Aufgaben erfahrbar werden, was den Anspruch auf Authentizität nur erneut unterstreicht.
Dies alles hat im Bewusstsein um die Tragweite des Handelns zu geschehen, da hier höchste menschliche Ziele gerade in einem ganzheitlichen Verständnis, etwa von Heilen, angestrebt werden, die keine Diskussion über etwas mehr oder weniger des Anspruchs zulassen. Letztlich geht es um nichts weniger als um alles, nämlich die umfassende Befreiung von Leiden!
Ohne eine innere Freiheit der Beteiligten, sich auf ein solches Handeln einzulassen, sind religiöse Führung und Heilung nicht denkbar, denn nur auf diesem Weg kann Vertrauen gegenseitig entgegengebracht werden, das dem Prozess dienlich ist. Ohne Freiheit und Vertrauen können nämlich keine Akte von Befreiung vollzogen werden, ohne dass der Weg geradewegs in Abhängigkeit und Manipulation führt.
So ist es nicht verwunderlich, dass aus den Belehrungen des Buddha immer wieder deutlich wird, dass sich die Beteiligten möglichst aller egoistischen und egozentrischen Strukturen bewusst sein sollten und diese möglichst abgelegt haben, ohne dabei zu verkennen, dass auch diese Haltungen allein durch Übung entwickelt werden müssen und nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden können.
Nur auf diesem Wege ist es auch möglich, eine Geisteshaltung zu entwickeln, die der Buddha als „liebevolle Zuwendung“ zum anderen Menschen versteht, wobei das Wohl des Empfangenden die einzige Richtschnur spirituellen und heilenden Handelns zu sein hat.
Dies schließt die Notwendigkeit mit ein, sich der jeweiligen Verantwortung bewusst zu sein und entsprechend zu handeln. Niemand darf gezwungen werden, einen bestimmten Weg gehen zu müssen, auch nicht mit dem Argument der Heilung. Da nämlich das eigene Leben zutiefst betroffen ist, muss die Entscheidung darüber bei der jeweiligen Person belassen werden. Dies beinhaltet die Konsequenz, immer wieder – wie oben bereits zitiert – Mittel und Wege zu prüfen und zu hinterfragen, sowie ggf. auch andere Angebote zu wählen. Denn es muss die Möglichkeit bestehen bleiben, dass Meister oder Schüler, Heiler oder zu Heilender den Weg des anderen nicht begleiten bzw. übernehmen will.
Damit sind ferner Eigenschaften gefordert, die man als Selbstprüfung und Selbsterkenntnis mit einer dazu gehörenden inneren Klarheit bezeichnen kann. Nur so vermögen alle Beteiligten notwendige Erfahrungen zu sammeln und darauf das eigene Handeln auszurichten. Gerade die zu führende oder zu heilende Person muss in den Stand versetzt werden, das eigene Leben selbständig meistern zu können, um nicht der Gefahr von Dauerbegleitung zu erliegen, auch wenn dies manchem Meister oder Heiler angeraten bzw. lukrativ erscheinen mag. Alles Tun hat die Aufgabe zu erfüllen, das Selbst (nicht das Ego!) der Hilfesuchenden zu stärken der Art, dass die angebotenen Mittel eine adäquate Lebensführung oder Gesundung unterstützen helfen, wenn auch mancher Fortschritt mühsam sein mag. Kein Prozess darf nur um der Beschleunigung willen vorangetrieben werden, weil alles, also auch spirituelle Reifung und Gesundung, seine Zeit braucht und durch eine durch die Natur der Sache selbst grundgelegte Intensität bestimmt ist, mag der Vorgang nun Stunden oder Jahre benötigen. Hierzu bedarf es des Augenmaßes und der Geduld, Tugenden, die häufig genug übersehen werden und einer bestimmten Vorstellung des „alles ist machbar“ untergeordnet werden. Übertreibungen und ungerechtfertigte Ansprüche dienen nicht dem Ziel, so dass auch hier das Maß zwischen zuviel und zuwenig gefunden werden muss.
Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Aktivitäten nicht gleichzeitig dem Anspruch konsequenter und ernsthafter Bemühung unterworfen sind, da ja spirituelle Reifung und Heilung so hochwertige und allumfassende Ziele darstellen.
Unter Umständen mag es dabei durchaus geschehen, dass einer der Beteiligten Fehler erkennt und diese auch zu bekennen hat, was ja erst die wahre Größe und Souveränität der betreffenden Person offenkundig werden lässt. Veränderung und Korrektur sind folglich Elemente eines Weges, dessen Charakteristik nie die Starre z. B. eines rigide vorgetragenen Systems bedienen darf, da menschliche Begegnungssituationen keine mechanischen Abläufe darstellen. Gegenseitige Ermutigung zu Wachsamkeit und Achtsamkeit bilden hier vielmehr die adäquaten Grundhaltungen im gesamten Geschehen, genauso wie Freude, innere Ruhe und Gelassenheit wertvolle Eigenschaften zum Ausdruck bringen. Je mehr die Erfahrung mit dem Leben selbst vor allem die Lehrer oder Heiler auszeichnet, desto eher werden die Begegnungen von Erfolg gekrönt sein.
Hierbei mögen Personen, die der Buddha „gute Freunde“ nennt, eine Einbettung in einen größeren sozialen Kontext ermöglichen und die Fokussierung bzw. Fixierung auf eine einzige Person gerade als Lehrer oder Heiler relativieren.
Dass dabei der sachkundige Blick auf den Entwicklungsstand der sich anvertrauenden Person unumgänglich ist, ist selbstverständlich. Nur so kann inneres Wachstum gelingen und die Zufriedenheit aller Beteiligten entstehen. Denn das Achten auf sich selbst und die damit zusammenhängende Selbstachtung können nur auf dem Nährboden der soeben aufgezeigten Kriterien gedeihen und Heil-schaffende Verhaltensänderungen bewirken.
Für den Buddha ist es folglich ebenso unzweifelhaft, dass religiöse und heilende Begegnung von Menschen immer auch eine gegenseitige Bereicherung darstellt und nicht als „Einbahnstraße“ allein im Blick auf den Hilfe Suchenden verstanden werden darf, was allerdings allzu häufig vergessen wird.
Um nun die Liste der Hinweise, die die buddhistischen Schriften bereitstellen, abzurunden, seien noch einige wenige Haltungen genannt, die meines Erachtens nicht einer ausführlichen Kommentierung bedürfen, sondern für sich selbst sprechen und vor allem im Blick auf die Lehrer und Heilenden formuliert sind: auf Erfahrung beruhende Selbstsicherheit und Autorität, Einfühlsamkeit, emotionale Wärme, Bescheidenheit, Zurückhaltung, Menschen-kenntnis und das Bemühen, ausschließlich auf dass Wohl der sich anvertrauenden Personen ausgerichtet zu sein.
Somit ist wohl offenkundig geworden, dass aus einer der ältesten Traditionen der Menschenführung ein enormer Anspruch, auf der Wertschätzung der menschlichen Person begründet, vorgegeben ist und durchaus als Maßstab für die Beantwortung der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen religiöser Heilungsangebote verstanden werden muss.
Wen mag es nun verwundern, dass im Bemühen des frühen Christentums und in den Anfängen einer strukturierten Menschenführung (wie etwa bei Pachomius, dem Begründer des christlich klösterlichen Mönchtums, der von etwa 292 bis 346 in Ägypten lebte) ganz ähnliche Perspektiven und Forderungen für diejenigen Begegnungssituationen aufgewiesen werden, die in einer Schulung oder eben auch Heilung geschehen. Da diese bis in die Begrifflichkeit hinein mit den soeben dargelegten Kriterien des Buddha übereinstimmen, sollen sie nicht noch einmal wiederholt werden. Vielmehr richtet sich der Blick auf die grundlegenden Unterschiede im Christentum bezüglich des Verständnisses von Mensch, Welt und Gott.
Besonders herauszustellen ist dabei zunächst, dass von vielen Lehrerinnen und Lehrern der früheren Zeit, wie etwa auch erneut bei Pachomius, Heilungen berichtet werden, so dass dieser konkrete Bereich Heil-schaffender Wirklichkeit direkt einbezogen ist in alle grundlegenden Hilfestellungen zur menschlich ganzheitlichen Entwicklung. Diese Entwicklung ist in den Horizont der Freiheit des Menschen eingeordnet, die nichts anderes als das Heil des Menschen im Auge hat, und an der jesuanischen Frage „Was willst Du, dass ich tue“ orientiert ist.
Allerdings gibt es einen klar zu erkennenden Unterschied in der buddhistischen und christlichen Ausrichtung des Handelns. Der Buddha orientiert das spirituelle Geschehen an einer umfassenden Geistesschulung, die alle menschlichen Facetten betrifft, während die christliche Basis des Handelns in eine Beziehung zu und Begegnung mit Gott eingebettet ist. Alles christliche Tun ist zu verstehen als Nachfolge Christi und als Erfüllung des Willens Gottes, wie es sich aus dem Alten und Neuen Testament ablesen lässt und daran gemessen wird. Daher können die Lehrer als Vorbilder für die Nachfolge verstanden werden.
In seinem Handeln in allen Bereichen menschlichen Lebens offenbart also der Mensch sein Verhältnis zu Gott und stellt somit ein personifiziertes Bekenntnis dar. Um dies mit christlichen Begriffen zu beschreiben, wird der Mensch als Tempel Gottes und des Heiligen Geistes sowie Träger des Wortes Gottes charakterisiert. Menschliche Begegnung findet in einer Gemeinschaft statt, die sich als Wanderer auf dem Weg zum Heil versteht, wobei alles Tun dem Heil-werden aller dient. Der Grundgedanke der dienenden Liebe gestaltet sich im Blick auf die eigene Person, den Nächsten und Gott und lässt so Gottesfurcht und Gottvertrauen transparent werden. Endgültig heil zu werden ist aber in christlicher Perspektive allein aus menschlichem Handeln heraus nicht zu bewirken, sondern bleibt ein Geschenk Gottes, über das der Mensch keine Verfügungsgewalt besitzt.
Wenn sich nun in der Orientierung auf Gott hin außergewöhnliche Fähigkeiten, wie z. B. das Heilen etwa von Krankheiten körperlicher, psychischer und geistiger Art entwickeln, ist dies nur möglich durch die Unterstützung Gottes und ist Teil der Aufgabe dieser Menschen, Wege zu Gott zu eröffnen.
Die Hinwendung zum Nächsten soll dabei in einer Haltung der Reinheit des Herzens geschehen, die sich in der Solidarität und Barmherzigkeit mit den Leidenden entfalten, wobei darüber hinaus die Tugenden der Demut und Mäßigung eine nicht unerhebliche Forderung zur Selbstkontrolle im Kampf gegen alle Versuchungen, z. B. des Hochmuts, einschließen. Das richtige Maß im Handeln zu finden wird dabei ebenso verlangt, wie es dienlich ist, die Hilfsbedürftigen zu ermutigen, den oft schweren Weg der Wandlung und des Sich-wandeln-lassens nicht aufzugeben.
Sicherlich ließen sich noch viele Details anführen, die aber alle der grundsätzlichen Ausrichtung verpflichtet sind und damit keine entscheidenden Erweiterungen des Gesamthorizontes präsentieren.
Eines ist aber auch, denke ich, in den Darstellungen der Grundlagen im christlichen Verständnis unverkennbar, dass der Anspruch an diejenigen, die sich um das Heil und die Heilung anderer bemühen, erheblich ist und zum Nachdenken anregt.
Da gerade in der heutigen Zeit die Grenze zwischen den soeben dargelegten Anforderungen und Erwartungen einerseits und der Realität mit so manchen zweifelhaften Angeboten andererseits häufig zu verwischen droht, mag eine Besinnung auf die Wurzeln und das Herzstück zweier Heil und Heilung anbietender Religionen beispielhaft und hilfreich sein, um auf diese Weise und mit diesem Rüstzeug ausgestattet grundsätzliche Kriterien an der Hand zu haben, um in konkreten Fällen die Chancen und Grenzen spiritueller Heilungsangebote besser beleuchten zu können. Mag das Gesagte vor allem denjenigen von Nutzen sein, die Heilung suchen, damit sie die Ganzheitlichkeit der Perspektive nicht aus den Augen verlieren gerade da, wo die Tiefe der menschlichen Person von religiösen Sinndeutungen umfangen und gehalten ist.